Johnsons böse Überraschung hallt nach
Der britische Premier will nach dem Misstrauensvotum weitermachen wie bisher. Doch britische Medien sehen schon den „Anfang vom Ende“.
Sein Kabinett hält noch zu Boris Johnson
Zwei Tage nach den Festen zum 70. Thronjubiläum der Queen zierten am Dienstag immer noch Wimpel mit dem Union Jack das britische Regierungsgebäude in der Downing Street 10. Zum Feiern war dem Premierminister aber sicher nicht zumute. Schließlich hatte Boris Johnson am Vorabend die größte Schlappe seiner politischen Karriere erlebt.
Johnson konnte das kurzfristig angesetzte Misstrauensvotum gegen ihn nur knapp für sich entscheiden. 41 Prozent der konservativen Abgeordneten sprachen sich dafür aus, dass er geht. Das Ergebnis übertraf damit die schlimmsten Befürchtungen seiner Unterstützer und lässt den konservativen Parteichef verwundet zurück, wie die britische Tageszeitung „i“am Dienstag titelte. Er sei nun „der kranke Mann in der Downing Street“. Die sonst regierungsfreundliche britische Tageszeitung „The Daily Mirror“schrieb: „Die Party ist vorbei, Boris“und „die Uhr tickt“.
Boris Johnson selbst wollte davon nichts wissen. Er gab sich gewohnt kämpferisch und bezeichnete das Ergebnis als sehr gut für die Politik und für das Land. Es bedeute, dass sich die Regierung endlich auf die Dinge konzentrieren könne, die für die Menschen wirklich wichtig seien. Dabei bezog er sich unter anderem auf die steigenden Lebenshaltungskosten und den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Justizminister Dominic Raab äußerte sich ähnlich. „Das Wichtigste ist, dass wir das Ergebnis akzeptieren und weitermachen“, betonte dieser.
Nach einem Weiter-so für Johnson sieht das nicht aus. Im Gegenteil: Dass sich so viele Tories gegen ihn ausgesprochen haben, ist Ausdruck davon, dass ihn viele als untragbare Belastung für die Partei sehen. Hinter den Kulissen von Westminster formiert sich eine immer größer werdende Revolte. Johnsons Gegner wollen die Tatsache, dass er im Zuge des Misstrauensvotums für ein Jahr vor einer erneuten Abstimmung geschützt ist, nicht akzeptieren und zur Not die Regeln ändern.
Die regierungskritische Tageszeitung „The Guardian“verwies darauf, dass es nach einem Misstrauensvotum
erfahrungsgemäß nur eine Frage der Zeit sei, bis der Premierminister endgültig aus dem Amt gedrängt werde. Das habe man unter anderem im Fall von Theresa May gesehen, die eine solche Abstimmung 2018 überstand, um rund fünf Monate später schließlich ihren Hut zu nehmen. Medien sprachen von einem langsamen Tod Johnsons, „dem Anfang vom Ende“.
Die Krise des Premierministers ist die Folge der Skandale um Partys in der Downing Street während der Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021. Als wäre dies nicht genug, wurden die Nerven der konservativen Abgeordneten während der Feierlichkeiten zum Thronjubiläum der Queen weiter strapaziert: Als der Premier mit seiner Frau Carrie zu einem Dankes-Gottesdienst am vergangenen Freitag ankam, wurde er ausgebuht. Vor den Augen von Milliarden Zuschauern weltweit.
Dementsprechend lauter werden die Debatten um einen möglichen Nachfolger. Finanzminister Rishi Sunak ist vorerst aus dem Rennen. Er soll Steuern hinterzogen haben. Als Anwärter gelten unter anderem die Außenministerin Liz Truss, Tom Tugendhat, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Unterhaus, sowie Verteidigungsminister Ben Wallace.