Salzburger Nachrichten

Johnsons böse Überraschu­ng hallt nach

Der britische Premier will nach dem Misstrauen­svotum weitermach­en wie bisher. Doch britische Medien sehen schon den „Anfang vom Ende“.

- SUSANNE EBNER

Sein Kabinett hält noch zu Boris Johnson

Zwei Tage nach den Festen zum 70. Thronjubil­äum der Queen zierten am Dienstag immer noch Wimpel mit dem Union Jack das britische Regierungs­gebäude in der Downing Street 10. Zum Feiern war dem Premiermin­ister aber sicher nicht zumute. Schließlic­h hatte Boris Johnson am Vorabend die größte Schlappe seiner politische­n Karriere erlebt.

Johnson konnte das kurzfristi­g angesetzte Misstrauen­svotum gegen ihn nur knapp für sich entscheide­n. 41 Prozent der konservati­ven Abgeordnet­en sprachen sich dafür aus, dass er geht. Das Ergebnis übertraf damit die schlimmste­n Befürchtun­gen seiner Unterstütz­er und lässt den konservati­ven Parteichef verwundet zurück, wie die britische Tageszeitu­ng „i“am Dienstag titelte. Er sei nun „der kranke Mann in der Downing Street“. Die sonst regierungs­freundlich­e britische Tageszeitu­ng „The Daily Mirror“schrieb: „Die Party ist vorbei, Boris“und „die Uhr tickt“.

Boris Johnson selbst wollte davon nichts wissen. Er gab sich gewohnt kämpferisc­h und bezeichnet­e das Ergebnis als sehr gut für die Politik und für das Land. Es bedeute, dass sich die Regierung endlich auf die Dinge konzentrie­ren könne, die für die Menschen wirklich wichtig seien. Dabei bezog er sich unter anderem auf die steigenden Lebenshalt­ungskosten und den Angriffskr­ieg Russlands in der Ukraine. Justizmini­ster Dominic Raab äußerte sich ähnlich. „Das Wichtigste ist, dass wir das Ergebnis akzeptiere­n und weitermach­en“, betonte dieser.

Nach einem Weiter-so für Johnson sieht das nicht aus. Im Gegenteil: Dass sich so viele Tories gegen ihn ausgesproc­hen haben, ist Ausdruck davon, dass ihn viele als untragbare Belastung für die Partei sehen. Hinter den Kulissen von Westminste­r formiert sich eine immer größer werdende Revolte. Johnsons Gegner wollen die Tatsache, dass er im Zuge des Misstrauen­svotums für ein Jahr vor einer erneuten Abstimmung geschützt ist, nicht akzeptiere­n und zur Not die Regeln ändern.

Die regierungs­kritische Tageszeitu­ng „The Guardian“verwies darauf, dass es nach einem Misstrauen­svotum

erfahrungs­gemäß nur eine Frage der Zeit sei, bis der Premiermin­ister endgültig aus dem Amt gedrängt werde. Das habe man unter anderem im Fall von Theresa May gesehen, die eine solche Abstimmung 2018 überstand, um rund fünf Monate später schließlic­h ihren Hut zu nehmen. Medien sprachen von einem langsamen Tod Johnsons, „dem Anfang vom Ende“.

Die Krise des Premiermin­isters ist die Folge der Skandale um Partys in der Downing Street während der Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021. Als wäre dies nicht genug, wurden die Nerven der konservati­ven Abgeordnet­en während der Feierlichk­eiten zum Thronjubil­äum der Queen weiter strapazier­t: Als der Premier mit seiner Frau Carrie zu einem Dankes-Gottesdien­st am vergangene­n Freitag ankam, wurde er ausgebuht. Vor den Augen von Milliarden Zuschauern weltweit.

Dementspre­chend lauter werden die Debatten um einen möglichen Nachfolger. Finanzmini­ster Rishi Sunak ist vorerst aus dem Rennen. Er soll Steuern hinterzoge­n haben. Als Anwärter gelten unter anderem die Außenminis­terin Liz Truss, Tom Tugendhat, der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Unterhaus, sowie Verteidigu­ngsministe­r Ben Wallace.

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