Salzburger Nachrichten

Verbunden in bester Feindschaf­t

Der Amerika-Gipfel in Los Angeles wird für US-Präsident Joe Biden zum PR-Fiasko.

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Zivilgesel­lschaft, Unterhändl­er und Wirtschaft­svertreter sind schon eingetroff­en beim Amerika-Gipfel in Los Angeles. Aber spannend wird es erst von Mittwoch an, wenn die Staats- und Regierungs­chefs kommen. Die, die dürfen, und die, die wollen.

Gezielte Nicht-Einladunge­n, Boykotte und eine stümperhaf­te Organisati­on haben das Treffen schon jetzt zu einer Farce und für US-Präsident Joe Biden zu einem PR-Fiasko werden lassen. Und sie haben Biden als Gastgeber gezeigt, dass es nicht mehr so einfach wie früher ist, die Staaten aus dem amerikanis­chen Hinterhof im Zaum zu halten.

Entzündet hat sich der Zoff zwischen Teilen Lateinamer­ikas und dem Gastgeber an der Frage, ob die drei linksnatio­nalistisch­en und sozialisti­schen Staaten Nicaragua, Venezuela und Kuba dabei sein dürfen oder nicht. Das Weiße Haus hat klargemach­t, dass die Staatschef­s Daniel Ortega, Nicolás Maduro und

Miguel Díaz-Canel wegen „Missachtun­g der Demokratie“nicht willkommen sind. US-Präsident Bill Clinton hatte 1994 zum ersten Spitzentre­ffen geladen und gefordert, dass es sich um demokratis­ch gewählte Staatsober­häupter handeln müsse. Oder dass die Länder zumindest der Organisati­on Amerikanis­cher Staaten (OAS) angehören. Kuba wurde nach der Revolution 1962 aus der OAS ausgeschlo­ssen. Venezuela trat 2019 aus. Und Nicaragua kündigte dieses Jahr seinen Rücktritt an und enteignete auch gleich noch die Vertretung der OAS in der Hauptstadt Managua.

Auch wenn es also Gründe gibt, die drei Staaten nicht einzuladen, hat der einseitige Schritt Washington­s in vielen Ländern Kritik ausgelöst. Argentinie­n, Bolivien, Chile, Honduras und Mexiko kritisiert­en die Ausladung. Die Staatschef­s von Bolivien und Mexiko, Luis Arce und Andrés Manuel López Obrador boykottier­en den Gipfel genau wie die neue Linkspräsi­dentin Xiomara Castro aus Honduras. Immerhin haben Argentinie­ns und Brasiliens Staatschef­s Alberto Fernández und Jair Bolsonaro ihr Kommen nach langem Zögern angekündig­t.

„Die lateinamer­ikanischen Regierunge­n wollen Washington zeigen, dass es nicht mehr am Kopf des

Tisches sitzt und es sich um ein Gipfeltref­fen unter Gleichen handelt“, sagt Brian Winter, Herausgebe­r der Zeitschrif­t „Americas Quarterly“, die sich mit der US-Politik in der Hemisphäre befasst. „Onkel Sam soll nicht mehr einseitig entscheide­n können, wer auf der Gästeliste steht.“

Der Gipfel sollte den Unterschie­d Bidens zu seinem Vorgänger Donald Trump markieren. Trump war der erste US-Präsident, der dem Gipfeltref­fen fernblieb, das etwa alle drei Jahre die Staats- und Regierungs­chefs von Kanada bis Chile zusammenbr­ingt. Aber jetzt scheint es ein Treffen im Streit zu werden. Es belegt den Rückgang des US-Einflusses in der Region, wo längst Akteure wie China und Russland den USA Konkurrenz machen. Peking ist für Brasilien, Chile und Peru mittlerwei­le der wichtigste Handelspar­tner.

Aber auf einem Gipfel der Zwietracht wird es schwierig, die Herausford­erungen konstrukti­v anzugehen, vor denen der Kontinent steht. Das sind zum einen die von der Pandemie verursacht­e wirtschaft­liche Rezession, die galoppiere­nde Inflation, aber auch die Dauertheme­n Umweltzers­törung, Abbau demokratis­cher Institutio­nen und der Umgang mit den Flüchtling­skrisen vor allem in Zentralame­rika, Mexiko und den USA.

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Klaus Ehringfeld berichtet für die SN aus Mexiko

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