Zweiter Pädagoge wurde angezeigt
Nach den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs in einem Kindergarten wird jetzt ein zweiter Betreuer der Freiheitsberaubung beschuldigt.
WIEN. Am Dienstag ist dem für Kindergärten zuständigen Wiener Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) der Geduldsfaden gerissen: Er erklärte, die Leiterin der Magistratsabteilung 10 (Kindergärten), Daniela Cochlár, absetzen zu wollen. Es gebe unterschiedliche Auffassungen über das Krisenmanagement, so begründete Wiederkehr seine Entscheidung. Er habe darum Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) – der formal diesen Schritt setzen muss – ersucht, Cochlár von den Leitungsaufgaben zu entbinden. Bürgermeister Ludwig bestätigte, dass er dem Wunsch Wiederkehrs folgen und Cochlár abberufen werde. Die Position wird nun vorerst interimistisch neu besetzt.
Ein Kindergarten in Penzing kommt nicht aus den Schlagzeilen. Zunächst waren gegen einen Pädagogen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs publik geworden. Der Familienvater soll sich zwischen April 2020 und März 2021 an Kleinstkindern im Alter von ein bis drei Jahren vergangen haben. Vier Fälle wurden bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt, diese ermittelt wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen. Wie der ORF am Dienstagabend berichtet, wird der Pädagoge im ersten der vier Fälle durch ein Gutachten entlastet. In diesem heißt es: „Durch die Zeugenbefragungen bei der MA 11 Jugendamt können die Vorwürfe nahezu ausgeschlossen werden.“
Seit Freitag liegt eine weitere Sachverhaltsdarstellung gegen einen Pädagogen desselben Kindergartens bei der Anklagebehörde. Eine Mutter hatte die MA 10 informiert, dass ihr Kind von diesem Betreuer im WC eingesperrt worden sei, weil es nicht habe schlafen wollen. Jetzt laufen Untersuchungen gegen den Mann wegen Freiheitsberaubung. Auch in diesem Fall liegt eine mögliche Straftat schon länger zurück. Denn der Pädagoge ist bereits im September 2021 in einen Kindergarten nach Liesing gewechselt, wo er die Leitung übernahm. Von dort wurden bisher keine Vorwürfe gemeldet, hieß es. Beide Männer wurden mittlerweile in den Innendienst versetzt, sie haben keinen Kontakt mehr mit Kindern. „Bei struktureller Gewalt gibt es keine Toleranz“, sagte Ingrid Pöschmann, Sprecherin der Aufsichtsbehörde (MA 11).
Die betroffenen Eltern des Penzinger Kindergartens haben schon seit Wochen die Abberufung der Leiterin der Wiener Kindergärten gefordert. Daniela Cochlár habe erst 13 Monate nach Bekanntwerden des ersten Missbrauchsverdachtsfalles in Penzing die Eltern anderer potenziell betroffener Kleinkinder informiert. Elternvertreterin Katharina Kohlbach ortet im SN-Gespräch massives Fehlverhalten von Cochlár. „Es gab keinerlei Führung, keinerlei Einsicht, kein Krisenmanagement.“
Kohlbach zufolge ist die Stimmung bei den Eltern nach wie vor sehr aufgeheizt. Sie geht davon aus, dass die Zahl der vom sexuellen Missbrauch ihrer Kinder betroffenen Eltern zumindest im zweistelligen Bereich liege. Der Pädagoge, gegen den wegen Freiheitsberaubung ermittelt werde, „war den Eltern eigentlich immer sehr positiv aufgefallen“, erklärte Kohlbach. Auch in der Einrichtung selbst soll weiterhin Chaos herrschen. Zahlreiche Pädagoginnen befinden sich im Krankenstand, Eltern haben ihr Vertrauen in die Einrichtung verloren – sie lassen ihre Kinder zu Hause oder suchen einen neuen Platz.
Die Standortleiterin in Penzing wurde bereits vor 14 Tagen ausgetauscht, ebenso die Regionalleiterin für die Kindergärten.
„Es gab keinerlei Führung, keinerlei Einsicht, kein Krisenmanagement.“