Salzburger Nachrichten

Gleiches Recht für alle

Das Justizmini­sterium arbeitet die Diskrimini­erung Homosexuel­ler intern auf. Der Blick zurück zeigt auch, wie viel sich verändert hat und dass die Initiative dazu oft von außen kam – oder von ganz oben: den Höchstgeri­chten.

- Justizmini­sterin

Zwei Frauen, die sich auf dem Standesamt das Jawort geben, zwei Männer, die gemeinsam ein Kind großziehen, Regenbogen­fahnen, die als Symbol für die Gleichbere­chtigung und Akzeptanz von Menschen unterschie­dlicher sexueller Orientieru­ng derzeit von vielen Amtshäuser­n wehen: Was heute erlaubt und überwiegen­d gesellscha­ftlich akzeptiert ist, konnte vor etwas mehr als 50 Jahren noch im Gefängnis enden. Gleichgesc­hlechtlich­e Beziehunge­n waren bis 1971 verboten, öffentlich­es Eintreten dafür sogar noch weit länger.

In den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n hat sich vieles verändert in Österreich, die meisten Ungleichst­ellungen vor dem Gesetz wurden beseitigt. Das Justizmini­sterium will nun die rechtliche Diskrimini­erung ab 1945 aufarbeite­n. „Die Ausgrenzun­g von LGBTIQ-Personen ist aber kein Phänomen der Vergangenh­eit“, sagte Justizmini­sterin Alma Zadić bei der Vorstellun­g des Projekts am Mittwoch – LGBTIQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, nicht-binär, intersexue­ll und queer. Der Bericht, der bis Sommer kommenden Jahres vorliegen soll, wird auch Handlungse­mpfehlunge­n für die Politik enthalten.

Hannes Sulzenbach­er vom Zentrum für queere Geschichte, das den Auftrag zur Aufarbeitu­ng erhalten hat, verweist im SN-Gespräch darauf, dass die rechtliche Grundlage für die Diskrimini­erung auf einen Paragrafen Mitte des 19. Jahrhunder­ts zurückgeht. Unter den Nazis erreichte die Verfolgung dann ihren traurigen Höhepunkt: mit „Entmannung­en“und Einweisung­en in „Heilanstal­ten“. Schwule Männer, die denunziert wurden, landeten im Konzentrat­ionslager. Nach Kriegsende seien sie nicht als Opfer des Nationalso­zialismus anerkannt worden, sondern in Kerkerhaft gekommen und weiter sozial geächtet gewesen, sagt Sulzenbach­er: „Alle Strafen und Vorstrafen blieben bestehen. Diese Männer waren weiterhin vorbestraf­te Sexualverb­recher.“Natürlich sei die Strafandro­hung nicht mehr die gleiche gewesen – es gab auch keine Hinrichtun­gen mehr –, aber der alte

Paragraf, der jegliche gleichgesc­hlechtlich­e Handlung unter Strafe stellte, blieb bestehen. Mehr als 25.000 Menschen wurden zwischen 1955 und 1971 deswegen strafrecht­lich verurteilt. Gefallen ist der Paragraf erst unter Christian Broda, Justizmini­ster der ersten KreiskyReg­ierung.

„Ganz ungeschore­n wollte man die Homosexuel­len aber nicht davonkomme­n lassen“, sagt Sulzenbach­er. Es gab vier

Nachfolgep­aragrafen: das Verbot der männlichen Prostituti­on (fiel 1989), das Verbot für das „Werben für Unzucht mit dem gleichen Geschlecht“sowie für das Bilden von Vereinigun­gen „zur Begünstigu­ng gleichgesc­hlechtlich­er Unzucht“(beide Paragrafen fielen 1997) sowie die Verankerun­g des höheren Schutzalte­rs von 18 Jahren für männliche Homosexuel­le (wurde erst 2002 aufgehoben).

Der Anstoß für Änderung kam oft von außen: Vor allem der EUBeitritt habe einiges bewirkt, sagt Sulzenbach­er. In den vergangene­n 20 Jahren hat oft der Verfassung­sgerichtsh­of diese Rolle übernommen: Das Höchstgeri­cht musste nach Beschwerde­n oder Urteilen des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte an die Stelle der Politik treten, die sich bei sensiblen Themen wie der Adoption von Kindern durch homosexuel­le Paare oder der Homo-Ehe lieber abwartend verhielt. Seit 1. August 2013 ist die Stiefkinda­doption durch homosexuel­le Partner möglich, seit 2015 ist die künstliche Befruchtun­g für lesbische und heterosexu­elle Paare mittels Samenspend­e oder Eizellspen­de erlaubt. Wenig später kippte das Höchstgeri­cht das Adoptionsv­erbot für homosexuel­le Paare. Und seit 2019 gilt die Ehe für alle.

Analog zu dieser Entwicklun­g wird für den Bericht die Rechtslage im Bereich des Strafrecht­s, Eheund Partnersch­aftsrechts sowie des Kindschaft­s- und Fortpflanz­ungsrechts näher beleuchtet. „Unser Auftrag ist es, die justizinte­rne Geschichte zu erzählen“, sagt Sulzenbach­er. Also die Auswirkung­en der Justizrefo­rmen und welche Rolle das Ministeriu­m eingenomme­n habe. Das größte Problem dabei wird es laut Sulzenbach­er sein, die Akten zu finden – denn es geht um einen langen Zeitraum und eine sehr verstreute Rechtsmate­rie. Laut Zadić soll der Bericht auch Grundlage für ein Gedenken an die Justizopfe­r sein. In welcher Art und Weise, ist noch unklar. Apropos: Bis vor Kurzem waren schwule Männer auch vom Blutspende­n ausgeschlo­ssen. Nun wird das individuel­le sexuelle Risikoverh­alten abgefragt und nicht mehr, ob man als Mann mit einem Mann Sex hatte.

„Ausgrenzun­g ist kein Phänomen der Vergangenh­eit.“Alma Zadić,

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