Harte Arbeit in den Bergen
Die Gebirgszüge der Alpen sind in der Doku „Alpenland“ein Ort ganz unterschiedlicher Arbeitswelten.
WIEN. Ob österreichische Bergbäuerin, bayerischer Förster, portugiesischer Seilbahnmitarbeiter oder französischer Landarzt: Auf unterschiedliche Weise sind alle diese Berufe prekär, aufgrund der auf kurzfristigen Profit ausgerichteten Art und Weise, wie mit den Alpen umgegangen wird. An acht Schauplätzen in Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz untersucht Robert Schabus in seiner Doku „Alpenland“(ab Freitag im Kino), wie Klimawandel, Preisdruck in der Landwirtschaft, Abwanderung und Wintertourismus Auswirkungen auf den Lebensraum Alpen haben.
SN: „Alpenland“als Heimatfilm der anderen Art – ist das eine Assoziation, die Sie gerne zulassen?
Robert Schabus: Ja, das trifft das Zentrum des Films ganz gut. Mir ist es ja vor allem um die Begleitung der Menschen gegangen, die tatsächlich in den Alpen leben, nicht um die, die dort zu Gast sind oder dort investieren. Da ist seit einiger Zeit ein deutlicher Wandel zu spüren, denn das Leben in den Bergen wird für die Einheimischen zusehends schwieriger. In manchen Touristenmetropolen, wie beispielsweise in Garmisch-Partenkirchen, können sich junge Familien kaum noch Wohnraum leisten und sind gezwungen, wegzugehen. Und trotz eines mindestens gleich schönen Panoramas gibt es Alpendörfer wie Sambuco im Piemont, die seit Jahrzehnten mit Abwanderung zu kämpfen haben, was durch den Wegfall von Infrastruktur noch beschleunigt wird, Geschäfte und Schulen sind dort schon lange geschlossen.
SN: War es schwierig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, war etwa die Immobilienmaklerin in GarmischPartenkirchen schwer zu überzeugen oder hatte sie Redebedarf?
Natürlich gibt es eine Hemmschwelle, sich fremden Menschen zu öffnen, aber die Voraussetzung ist immer auch, dass es von meiner Seite her einen respektvollen Umgang mit dieser Offenheit gibt. Die Immobilienmaklerin war sehr offen. Sie würde auch gerne jungen Familien günstigen Wohnraum anbieten, aber es gibt einfach keinen. Ich würde auch gar nicht sagen, dass sie dafür verantwortlich gemacht werden kann. Genauso gut könnte man sagen, jeder Tourist ist verantwortlich oder jede Bauunternehmerin, weil sie dieses System stützen oder davon profitieren. Ich denke eher, dass das eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, für einen Ausgleich zu sorgen, und das wurde dort leider viel zu lange versäumt.
SN: Die Aussagen des Försters in Garmisch, nach denen die Gemeindeaufwendungen für eine Schneekanone gegenzurechnen sind mit einer verkauften Sozialwohnung, machen unglaublich zornig.
War die Schönheit der Landschaft da notwendiger Gegenpol?
Die Landschaft ist für mich nicht als Gegenpol zu sehen. Gerade wegen ihrer Schönheit und Ursprünglichkeit übt sie so eine Anziehungskraft aus und dieser romantische Blick sollte auch Teil des Films werden. Andererseits ist diese Landschaft auch eine Herausforderung, für die, die schon lange dort leben und arbeiten. In Bauernfamilien etwa hat sich über Generationen eine an die Landschaft angepasste Form der Landwirtschaft entwickelt, weil es dort nicht anders ginge, im Gegensatz zur Industrialisierung der Landwirtschaft im Flachland. Das führt in den Bergen zu einer intensiven Verbundenheit zwischen den Menschen und den Orten. Das hat mich sehr berührt.
SN: Sind die Alpen eine Gegend, an der sich Probleme, seien sie klimatisch, gesellschaftspolitisch oder wirtschaftlich, besonders gut darstellen lassen? Auf jeden Fall. Wir hatten in der Recherche Kontakt zu Werner Bätzing, dem wahrscheinlich wichtigsten Alpenforscher der vergangenen Jahrzehnte, und er beschreibt die Alpen durch ihre so spezielle Landschaft als ein Brennglas, durch das generelle Probleme unserer Zeit viel deutlicher zutage treten. Das ergibt sich auch aus den Gesprächen, die nach dem Film zustande kommen. Viele Menschen machen sich natürlich Sorgen wegen des Klimawandels und sind frustriert, dass eine gesellschaftliche Veränderung so schwer erscheint.
Das Mantra des Wachstums im Tourismus, vor allem des Wintertourismus, wird sehr kritisch gesehen. Ich denke, eine große Mehrheit in der Bevölkerung ist der Ansicht, dass es da zu einer Trendwende kommen muss.