Hausfrauen-Report: Wie aus Reality-TV eine Performance wird
GRAZ. Das digitale Kaminfeuer lodert, der exklusive Schaumwein fließt in Strömen und die Pointen von vier Grazerinnen aus bürgerlichem Hause hageln im Stakkatotakt: Mal endet dies in ordinären Beschimpfungen („zwanghafte Bitch“) oder anderen politisch höchst unkorrekten Bemerkungen, dann gibt es wieder Erörterungen über Schönheitsoperationen oder Statussymbole wie etwa die Prosciutto-Schneidemaschine oder Einblicke in die Seelenwelten der High Society-Hausfrauen: „Was ist das Schöne an Charity-Events? Dass man die armen Leute nicht sehen muss.“
„The Unreal Housewives of Graz vs. The Unreal Housewives of Vienna“nennt sich eine neue Produktion, bei der „Die Rabtaldirndln“mit der Wiener Formation „toxic dreams“kooperieren. Der Titel legt es schon nahe, die Theaterarbeit baut auf dem Reality-TV-Franchise „The Real Housewives“auf, das mittlerweile aus 11 Serien in den USA und 21 internationalen Serien besteht. In diesem Mix aus RealityTV und Seifenoper werden zutiefst private Dinge öffentlich, eine Art Hausfrauen-Report aus der Schlüssellochperspektive. Der in Graz uraufgeführte Theatertext speist sich aus den Dialogen der TV-Vorlagen. „Es gibt ganz klare Überschneidungen zwischen dem Reality-TV-Format und vielen dramaturgischen Strategien des experimentellen Theaters“, sagt Regisseur Yosi Wanunu, von dem auch das Konzept stammt. Die vorerst nur mit Bademantel bekleideten Housewives aus Vienna lässt er mit einem coolen Song auftreten, im Penthouse mit Blick auf den Stephansdom (die formidable Bühnenlösung stammt von Götz Bury, Paul Horn) wird viel Rotwein getrunken und natürlich auch gelästert. Über eine Dragqueen-Bingo-Party, Trophäenfrauen oder solche, die gleich mit dem Silberlöffel im Mund geboren wurden. Eine Art Blitzlichtregie lässt die Frauen einmal in kurzen Monologen und Gedankensplittern, dann wieder in Dialogen zu Wort kommen.
Im Finale, das die Welt des Musicals zitiert, vollführen die zwei streitbaren Quartette den direkten Schlagabtausch, wobei auch Sprechchöre aus dem Betriebssystem Fußball zu hören sind: „Wir sind eure Hauptstadt, ihr Bauern!“Das Stück vermanscht lustvoll differente Welten (von Strindberg bis Trash) und belegt: Reality-TV ist performance tauglich. Sehr sogar.
Theater: „The Unreal Housewives ...“, 9.–12. Juni im Kristallwerk Graz, ab 21. Oktober Aufführungen im brut Wien.