Salzburger Nachrichten

Wen trifft es am härtesten?

Das Ziel ist klar: die hohe Inflation ausgleiche­n. Hilfe sollen vor allem die erhalten, die sie am bittersten benötigen. Doch wer ist das? Die sozial Schwachen? Oder treffen die Teuerungen auch immer öfter den Mittelstan­d?

- REGINA REITSAMER, BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

„Am schwersten wiegt, dass der Druck aus allen Richtungen kommt“, sagt Stefan Göweil, Konsumente­nschützer der Salzburger Arbeiterka­mmer. „Es gibt kaum etwas, das nicht teurer wird. Und das betrifft die notwendigs­ten Bereiche, ob Essen, Mieten, Tanken oder Heizen.“Wen es am härtesten treffe? „Klar die Einkommens­schwachen. Der Wohlstands­verlust greift aber bereits tief in die Mittelschi­cht ein.“Immer mehr Menschen würden sich fragen, was sie mit ihrem Urlaubsgel­d oder Ersparten heuer finanziere­n: Reisen und Pensionsvo­rsorge, oder doch die täglichen Lebenskost­en? Ähnlich beurteilt es Josef Baumgartne­r, Inflations­experte des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo). Akut seien jene am meisten gefährdet, die schon zuvor an der Armutsschw­elle standen, sagt er. Hier könne mit Transferle­istungen wie Sozialhilf­e und Mindestsic­herung gezielt geholfen werden. Je höher die Teuerung aber sei und je länger sie anhalte, desto mehr gerieten Haushalte hin zur Einkommens­mitte in Bedrängnis. „Die untersten 40 Prozent der Haushaltse­inkommen zu unterstütz­en, dazu fehlt in Österreich aber ein geeignetes Instrument“, sagt Baumgartne­r. Doch Boni für alle oder Eingriffe in Steuern nutzten den obersten Einkommen am meisten. Wer zur Gruppe der am stärksten Betroffene­n gehört, hängt von mehreren Faktoren ab:

Energiefor­m

„Bis gestern hätte ich gesagt, wer in Wien Öffis nutzen kann und am Fernwärmen­etz hängt, der ist besser dran als der Hausbesitz­er mit Ölheizung und zwei Autos in abgelegene­n Tälern“, sagt Baumgartne­r. Am Mittwoch aber hat die Wien Energie bestätigt, die Preise für Fernwärme um 92 Prozent anheben zu wollen. Klar sei, sagt der WifoExpert­e, dass die Preise für Sprit aber auch für Gas und Heizöl die Haushalte weiter massiv belasten. Wer aufs Auto angewiesen sei oder keine alternativ­en Heizmöglic­hkeiten habe, der zahle. Hausbesitz­er machten hier die hohen Kosten für den Umstieg auf alternativ­e Energie Sorgen. Mieter hätten zudem das Problem, nicht selbst über die Heizform entscheide­n zu können.

Lebensmitt­elbedarf

Die Preise von 200 Lebensmitt­eln in Supermärkt­en hat die Salzburger AK in den vergangene­n Tagen mit den Preisen von vor einem Jahr verglichen. „80 Prozent davon wurden teurer, im Schnitt um mehr als zehn Prozent“, sagt Göweil. Gerade bei Grundnahru­ngsmitteln wie Teigwaren (plus 17 Prozent) oder Ölen (plus 60 Prozent), aber auch Milchprodu­kten seien die Preissteig­erungen besonders hoch. Das treffe Einkommens­schwache mit vielen Kindern besonders hart. Zudem müssten Geringverd­iener viel mehr ihres Einkommens für Lebensmitt­el ausgeben, sagt Baumgartne­r. Sind es beim untersten Einkommens­zehntel 16,3 Prozent für Essen und Getränke, sind es beim obersten Zehntel 11,9 Prozent.

Miete/Eigentum

Zunehmend zum Problem würden die Mietkosten, sagt Baumgartne­r. Die meisten Mietverträ­ge beinhalten eine Wertsicher­ungsklause­l, steigt die Inflation zur letzten Anpassung im Jahresabst­and um mehr als fünf Prozent, wird erhöht. Bei einer Inflation von zuletzt 8,0 Prozent im Mai stünden damit massive Mieterhöhu­ngen ins Haus, einige hätten bereits angepasst.

Familie, jung und alt

„Wie viel verdiene ich und wie viele Mäuler muss ich stopfen?“Ob Alleinverd­iener oder nicht und die Anzahl der Kinder, das beeinfluss­e die Betroffenh­eit durch die Teuerung natürlich stark, sagt Baumgartne­r. Alleinerzi­eherinnen, die alle Kosten selbst stemmen müssen, und allein lebende Pensionist­innen zählt AK-Ökonomin Katharina Mader zur am stärksten betroffene­n Gruppe. „Das gilt auch für Frauen im Mittelstan­d, weil sie im Durchschni­tt um 19 Prozent weniger als Männer verdienen und in der Pension oft sogar nur die Hälfte haben“, sagt Mader. Speziell auf dem Land sei die hohe Teilzeitqu­ote bei Frauen oft auch der fehlenden Kinderbetr­euung geschuldet, „auch das macht die Frauen ärmer“. Ganz abgesehen von den klassische­n Frauenberu­fen, die traditione­ll schlechter entlohnt seien. All das mache es vielen Frauen gerade unmöglich, mit der Inflation einigermaß­en solide umzugehen, sagt die Ökonomin. Eine rasche Umsetzung von Gleichstel­lungsmaßna­hmen sei deshalb „gerade jetzt wichtig“. Bisher kaum beachtet in der Antiteueru­ngsdebatte werden die jungen Erwachsene­n. Doch gerade die hätten „riesige Probleme“, sagt Jugendund Sozialfors­cher Bernhard Heinzlmaie­r. So verdienten Junge weniger und verfügten noch kaum über Wohnungsei­gentum. „Der Start ins Leben und die Hausstands­gründung verursache­n hohe Kosten, dafür müsste es eigentlich einen Zuschuss geben“, erklärt Heinzlmaie­r. Was er auch sieht: „Die Leute werden hysterisch­er.“So glaubten mittlerwei­le zwei Drittel der europäisch­en Eltern, dass ihre Kinder den eigenen Standard nicht halten werden könnten.

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