Voestalpine schafft Platz für Stahl ohne Hochofen
Trotz Covid, Krieg und Lieferkettenlöchern: Der Linzer Stahlriese verdient besser denn je. Geld für Zukäufe und die dringende Dekarbonisierung.
WIEN. Auf dem Gelände der Voestalpine am Konzernsitz in Linz wird schon fleißig gebaggert. Im März hat der Aufsichtsrat des teilstaatlichen Stahlerzeugers grünes Licht für geschätzt 150 bis 200 Mill. Euro für die Vorarbeiten zur Umstellung auf Elektrostahlerzeugung gegeben. Konkret wird das entsprechende Baugelände vorbereitet, wo ab 2027 ein sogenannter Elektrolichtbogenofen einen der drei Hochöfen in Linz ersetzen soll. Im Werk in Donawitz wird einer von zwei Hochöfen ersetzt. Der Vorteil des neuen Verfahrens: Mit Ökostrom versorgt reduziert es den Treibhausgasausstoß der Voestalpine um 30 Prozent und Österreichs um drei Prozent. Der Nachteil: Es funktioniert bei Hochqualitätsstahl noch nicht und braucht enorme Mengen Strom und starke Leitungen, die es bisher nicht gibt.
Insgesamt gehe es um 1 Mrd. Euro Investitionen, sagte Konzernchef Herbert Eibensteiner am Dienstag bei der Bilanzvorlage 2021/22. Ob es Unterstützung aus EU-Geldern gebe, sei noch offen. Hier soll demnächst eine Entscheidung fallen. Hoffnungen ruhen auch auf dem Transformationsfonds, mit dem die Regierung ab 2023 Betriebe auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen will. Noch steht er aber nicht.
Die Voestalpine ist schon jetzt Umweltvorreiter und als einziger europäischer Stahlkonzern bereits im Dow Jones Sustainability Index gelistet. Um tatsächlich klimaneutral zu werden, müssen aber Kohle, Koks und Gas in der Produktion ersetzt werden, voraussichtlich mit Wasserstoff. Die Vorbereitungen für sauber erzeugten Stahl laufen, sowohl in Linz als auch in Donawitz. Doch auch hier geht es teils um Grundlagenforschung. Die Pilotanlage H2Futur zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in industriellem Ausmaß wartet nach zwei Jahren erfolgreichem Testbetrieb auf weitere öffentliche Gelder.
Im Geschäftsjahr 2021/22 hat der Konzern dank des Booms infolge der Coronakrise und hoher Preise einen Rekordgewinn von 1,3 Mrd. Euro erzielt. Auch der Umsatz von 14,9 Mrd. Euro und das Eigenkapital von 7 Mrd. Euro waren so hoch wie noch nie in der Unternehmensgeschichte. Die Dividende soll nun auf 1,2 Euro je Aktie angehoben werden – ein Wert, der seit dem Börsegang 1995 nur drei Mal höher war.
„Das alles überschattende Ereignis in diesem Geschäftsjahr“sei aber der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar gewesen, sagte Eibensteiner. Das habe die Marktstimmung mittlerweile eingetrübt. Umsatzmäßig betreffe der Krieg den Konzern kaum. Allerdings hat die Voest bisher Eisenerz aus der Ukraine und Gas und Kohle aus Russland bezogen. Mittlerweile werde die Kohle ersetzt.
Das Rekordergebnis verschaffe der Voestalpine eine „Fire Power“von etwa 2 Mrd. Euro, sagte Finanzvorstand Robert Ottel. Akquisitionen sind laut Eibensteiner in den verarbeitenden Divisionen des Konzerns möglich. Der Verkauf von 80 Prozent des Roheisenwerks in Texas – zuletzt das Sorgenkind des Konzerns – an ArcelorMittal wird demnächst abgeschlossen und die niedrige Verschuldungsquote weiter reduzieren.