Wem gehören eigentlich Tourendaten?
Zwei Portale streiten, inwieweit Routen für Wanderungen etc. urheberrechtlich geschützt sind. Ein Jurist klärt über die Grundlagen auf.
Als Thomas Wiedner von jenem Aufreger gehört hat, der ihn nun seit Wochen begleitet, sei er zunächst einmal „überrascht“gewesen. „Ich wusste davon nichts – ich kannte noch nicht einmal das Projekt“, sagt der Geschäftsführer von Outdooractive Österreich. Sein Unternehmen mit Sitz in Salzburg bietet ein Tourenportal samt App für Wanderer, Radfahrer, Bergsteiger etc. Und eben ein Teil dieser Touren landete angeblich vor rund einem Monat plötzlich auf einer anderen Plattform: Zuugle – ein neues Portal, das sich darauf spezialisiert hat, Öffi-Anbindungen von Wanderrouten auszuwerfen – hatte laut
Wiedner Outdooractive-Routen ungefragt eingebaut. „Es kann doch nicht sein, dass sich ein Portal Touren einfach schnappt, die bei uns eingepflegt wurden, die wir kuratieren – und die zum Teil auch hinter einer Paywall stehen.“
Zuugle wehrt sich gegen die Vorwürfe: Man habe nie Daten von Outdooractive integriert, sagt Martin Heppner. Heppner ist Obmann von Bahn zum Berg, jenem Verein, der Zuugle ehrenamtlich, aber mit finanzieller Unterstützung des Klimaschutzministeriums gestartet hat. Wo die Vorwürfe herkommen, kann er sich nicht erklären.
Egal ob die Vorwürfe stimmen oder nicht: Die grundsätzlichen Fragen hinter dem Zwist bleiben bestehen. Wem gehören Tourendaten eigentlich? Kann man eine Wanderroute schützen lassen? Und falls ja, welche Rechte entstehen daraus?
Michael M. Pachinger, Jurist mit Schwerpunkt Datenschutz und Urheberrecht, kann auf SN-Anfrage den aktuellen Fall freilich nicht bewerten. Der Partner in der Welser Anwaltskanzlei SCWP Schindhelm klärt aber über die Rechtsbasis auf: Das Urheberrecht schütze in diesem Zusammenhang Werke „im Sinne einer eigentümlichen geistigen Schöpfung“. Darunter fallen zwei- bis dreidimensionale Darstellungen – und somit etwa auch Landkarten. Aber: Eine derartige Darstellung müsse „genug Individualität aufweisen“, um als Werk zu gelten. „Karten, die geografische Tatsachen lediglich mit den üblichen Gestaltungsmitteln wiedergeben, sind ebenso wenig geschützt wie rein schablonenmäßige Darstellungen“, sagt Pachinger. Gestaltet also ein Urheber eine Karte derart kreativ und individuell, dass sie sich klar von anderen unterscheidet, ist diese schutzfähig. Ähnliches gelte auch für die Texte, die die Wanderrouten beschrieben: Sei die Wortwahl und/oder Gedankenführung fantasievoll und hebe sich von üblichen Formulierungen ab, gelte der Text als schützenswert, erläutert Pachinger. Ob hinter dem Werk eine Privatperson oder ein Unternehmen stehe, sei dabei irrelevant. Wanderrouten können also in der Tat als geschützt gelten.
Bestehe derartiger Schutz, könne nur der Urheber das Werk vervielfältigen oder verbreiten. Dritte können die Karte, den Text, die Tour nur verwerten, sobald der Urheber diese freigibt bzw. lizenziert.
Outdooractive-Geschäftsführer Thomas Wiedner schätzt die rechtliche Lage ähnlich ein: Eine simpel eingezeichnete Route sei noch nicht schützenswert. „Das ist ein Strich auf einer Karte.“Vielmehr gehe es um die Kreativleistung. „Und die besteht zum Beispiel dort, wo ich das rein Informative mit dem Kreativen verknüpfe.“
Experte Pachinger verweist darüber hinaus auf die datenschutzrechtliche Dimension: Seien Touren auf eine Person rückführbar – „Hier die tolle Wanderroute von Michael Pachinger“– könnten diese datenschutzrechtlichen Schutz genießen. Solche personenbezogenen Daten dürften etwa nicht „von Dritten für andere Zwecke weiterverarbeitet“werden – spezielle Rechtfertigungsgründe außen vor.
Und was passiert, hält man sich nicht an die Auflagen? Bei datenschutzrechtlichen Verstößen drohen Beschwerden bei der Datenschutzbehörde, Geldstrafen und Schadenersatzansprüche, erläutert Pachinger. Wer gegen das Urheberrecht verstößt, also eine Karte widerrechtlich verbreitet, habe indes etwa mit Unterlassungsklagen und Schadenersatz zu rechnen. Wie hoch der Schadenersatz ist, sei pauschal nicht zu sagen, ergänzt Pachinger. Das hänge unter anderem davon ab, wie teuer es gewesen wäre, die Karte legal zu lizenzieren.
„Individuelle Karten sind schutzfähig.“