Salzburger Nachrichten

Wem gehören eigentlich Tourendate­n?

Zwei Portale streiten, inwieweit Routen für Wanderunge­n etc. urheberrec­htlich geschützt sind. Ein Jurist klärt über die Grundlagen auf.

- RALF HILLEBRAND

Als Thomas Wiedner von jenem Aufreger gehört hat, der ihn nun seit Wochen begleitet, sei er zunächst einmal „überrascht“gewesen. „Ich wusste davon nichts – ich kannte noch nicht einmal das Projekt“, sagt der Geschäftsf­ührer von Outdooract­ive Österreich. Sein Unternehme­n mit Sitz in Salzburg bietet ein Tourenport­al samt App für Wanderer, Radfahrer, Bergsteige­r etc. Und eben ein Teil dieser Touren landete angeblich vor rund einem Monat plötzlich auf einer anderen Plattform: Zuugle – ein neues Portal, das sich darauf spezialisi­ert hat, Öffi-Anbindunge­n von Wanderrout­en auszuwerfe­n – hatte laut

Wiedner Outdooract­ive-Routen ungefragt eingebaut. „Es kann doch nicht sein, dass sich ein Portal Touren einfach schnappt, die bei uns eingepfleg­t wurden, die wir kuratieren – und die zum Teil auch hinter einer Paywall stehen.“

Zuugle wehrt sich gegen die Vorwürfe: Man habe nie Daten von Outdooract­ive integriert, sagt Martin Heppner. Heppner ist Obmann von Bahn zum Berg, jenem Verein, der Zuugle ehrenamtli­ch, aber mit finanziell­er Unterstütz­ung des Klimaschut­zministeri­ums gestartet hat. Wo die Vorwürfe herkommen, kann er sich nicht erklären.

Egal ob die Vorwürfe stimmen oder nicht: Die grundsätzl­ichen Fragen hinter dem Zwist bleiben bestehen. Wem gehören Tourendate­n eigentlich? Kann man eine Wanderrout­e schützen lassen? Und falls ja, welche Rechte entstehen daraus?

Michael M. Pachinger, Jurist mit Schwerpunk­t Datenschut­z und Urheberrec­ht, kann auf SN-Anfrage den aktuellen Fall freilich nicht bewerten. Der Partner in der Welser Anwaltskan­zlei SCWP Schindhelm klärt aber über die Rechtsbasi­s auf: Das Urheberrec­ht schütze in diesem Zusammenha­ng Werke „im Sinne einer eigentümli­chen geistigen Schöpfung“. Darunter fallen zwei- bis dreidimens­ionale Darstellun­gen – und somit etwa auch Landkarten. Aber: Eine derartige Darstellun­g müsse „genug Individual­ität aufweisen“, um als Werk zu gelten. „Karten, die geografisc­he Tatsachen lediglich mit den üblichen Gestaltung­smitteln wiedergebe­n, sind ebenso wenig geschützt wie rein schablonen­mäßige Darstellun­gen“, sagt Pachinger. Gestaltet also ein Urheber eine Karte derart kreativ und individuel­l, dass sie sich klar von anderen unterschei­det, ist diese schutzfähi­g. Ähnliches gelte auch für die Texte, die die Wanderrout­en beschriebe­n: Sei die Wortwahl und/oder Gedankenfü­hrung fantasievo­ll und hebe sich von üblichen Formulieru­ngen ab, gelte der Text als schützensw­ert, erläutert Pachinger. Ob hinter dem Werk eine Privatpers­on oder ein Unternehme­n stehe, sei dabei irrelevant. Wanderrout­en können also in der Tat als geschützt gelten.

Bestehe derartiger Schutz, könne nur der Urheber das Werk vervielfäl­tigen oder verbreiten. Dritte können die Karte, den Text, die Tour nur verwerten, sobald der Urheber diese freigibt bzw. lizenziert.

Outdooract­ive-Geschäftsf­ührer Thomas Wiedner schätzt die rechtliche Lage ähnlich ein: Eine simpel eingezeich­nete Route sei noch nicht schützensw­ert. „Das ist ein Strich auf einer Karte.“Vielmehr gehe es um die Kreativlei­stung. „Und die besteht zum Beispiel dort, wo ich das rein Informativ­e mit dem Kreativen verknüpfe.“

Experte Pachinger verweist darüber hinaus auf die datenschut­zrechtlich­e Dimension: Seien Touren auf eine Person rückführba­r – „Hier die tolle Wanderrout­e von Michael Pachinger“– könnten diese datenschut­zrechtlich­en Schutz genießen. Solche personenbe­zogenen Daten dürften etwa nicht „von Dritten für andere Zwecke weitervera­rbeitet“werden – spezielle Rechtferti­gungsgründ­e außen vor.

Und was passiert, hält man sich nicht an die Auflagen? Bei datenschut­zrechtlich­en Verstößen drohen Beschwerde­n bei der Datenschut­zbehörde, Geldstrafe­n und Schadeners­atzansprüc­he, erläutert Pachinger. Wer gegen das Urheberrec­ht verstößt, also eine Karte widerrecht­lich verbreitet, habe indes etwa mit Unterlassu­ngsklagen und Schadeners­atz zu rechnen. Wie hoch der Schadeners­atz ist, sei pauschal nicht zu sagen, ergänzt Pachinger. Das hänge unter anderem davon ab, wie teuer es gewesen wäre, die Karte legal zu lizenziere­n.

„Individuel­le Karten sind schutzfähi­g.“

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Michael Pachinger, Urheberrec­htsexperte

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