Trotz Lehrlingsmangel: Keine Lehrstelle für Poly-Schüler
Firmen klagen über fehlende Lehrlinge. Schüler polytechnischer Schulen werden trotzdem selten zum Bewerbungsgespräch eingeladen.
Die Hälfte der Unternehmen im Land Salzburg spricht von einem eklatanten Arbeitskräftemangel. Die Sorgen um Umsätze und Auftragslage, die noch in der Pandemie vorherrschten, wurden von den Sorgen um Personal abgelöst. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Wirtschaftskammer Salzburg. 1384 offene Lehrstellen wurden dem Arbeitsmarktservice im Mai gemeldet – dem gegenüber standen 197 Lehrstellensuchende. Der mediale Tenor der Unternehmen ist einhellig: Wir kämpfen um jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter.
Verständnis für diese Situation kann Monika Hemetsberger, Lehrerin an der Josef-RehrlSchule, nicht aufbringen. „Meine Schülerinnen und Schüler bekommen nur schwer eine Lehrstelle“, sagt sie. Viele Bewerbungen seien notwendig, um überhaupt eine Antwort von den Unternehmen zu erhalten. Vor allem Konzerne würden die Schülerinnen und Schüler lange hinhalten und schließlich doch absagen. Als Beispiel zieht sie den 15-jährigen Patrik heran. Dieser werde in allen Fächern nach dem Lehrplan der allgemeinbildenden höheren Schule unterrichtet. Der Schüler sei höflich, zuvorkommend und habe in allen Fächern ein Sehr gut. Eine Lehre möchte er im Bereich Logistik/Großhandel beginnen. Bei zehn Unternehmen habe er sich im Großraum Salzburg beworben, bekommen habe er nur Absagen und er sei nicht einmal zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden.
Der Direktor der Josef-RehrlSchule, Stefan Fraundorfer, versteht die Welt nicht mehr. „Medial wird ständig von einem Lehrlingsmangel gesprochen und unsere Schülerinnen und Schüler sind mit solchen Herausforderungen konfrontiert.“An seiner Schule werden hörbeeinträchtigte Kinder im Alter von sechs bis einschließlich 15 Jahren unterrichtet, integrativ neben Schülerinnen und Schülern ohne Beeinträchtigung. Die Schule beinhaltet eine Volksschule, eine Mittelschule und eine polytechnische Schule. „Vor allem für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung ist es noch schwieriger, eine Lehrstelle zu finden“, erklärt Hemetsberger.
Auch Diana besucht die JosefRehrl-Schule – sie zeigte sich am Dienstag erleichtert. „Ich habe eine Lehrstelle im Kulinarium Salzburg als Konditorin bekommen.“Ein Catering-Unternehmen, das auf ein integratives Beschäftigungsmodell setzt und zur Diakonie gehört. Auch sie habe unzählige Bewerbungen verfasst, Schnuppertage absolviert. Von einem Lebensmittelhändler sei sie über Wochen hinweg hingehalten worden, bis schließlich die Absage gekommen sei.
Betreut wird die Schule vom Jugendcoaching der Pro Mente Salzburg. Sara Schaar unterstützt die Klasse bei den Bewerbungsschreiben und der Vorbereitung auf die Bewerbungsgespräche. „Vor allem für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung und Migrationshintergrund ist es schwierig.“Sie kritisiert auch, dass bei Absagen keine detaillierte Rückmeldung gegeben wird.
Ortswechsel in die Polytechnische Schule Hallein: Die Lehrerin und stellvertretende Schulleiterin, Sieglinde Wallinger, spricht von einer schwierigen Marktlage für Lehrstellensuchende aus polytechnischen Schulen. Selbst verpflichtende Schnuppertage könnten die Suche nicht erleichtern. 36 Schülerinnen und Schüler besuchen hier die Schule. 23 davon sei es gelungen, eine Lehrstelle zu finden. Acht hätten sich entschlossen, einstweilen in eine weiterführende Schule zu gehen. „Vor allem Konzerne haben am liebsten Lehrlinge, die knapp vor der Matura die Schule abgebrochen haben und dadurch schon weiterführend gebildet wurden“, vermutet die Lehrerin. Am liebsten seien ihnen überhaupt HTLAbbrecher. Bei kleineren Unternehmen sei es einfacher. Wallinger betont, man müsse bei den Unternehmen als Schule anklopfen, damit sich überhaupt eine Möglichkeit ergebe. Vor allem die Online-Bewerbungsplattformen
„Meine Schüler bekommen nur schwer eine Lehrstelle.“
Monika Hemetsberger, Lehrerin
seien nicht ideal. Ihre Schülerinnen und Schüler streben vorwiegend nach einem technischen Beruf. Die Tourismusbranche könne die Schüler aus Hallein nicht locken. Anders die Situation in Zell am See. Die Schüler der dortigen polytechnischen Schule haben kein Problem, eine Lehrstelle zu finden. Leiter Christoph Pichler erklärt: „Der Tourismusbereich in der Region rekrutiert viele Abgänger.“
Beim Konzern Palfinger ermögliche man Interessierten Schnuppertage. Zirka ein Viertel der Lehrlinge kommt beim Kranhersteller aus den polytechnischen Schulen. Lehrlinge mit Beeinträchtigung könne man aufgrund der fehlenden barrierefreien Infrastruktur im administrativen und technischen Bereich nicht aufnehmen, sagt Bernhard Eicher, Leiter der Lehrlingsausbildung bei Palfinger. „Im September 2022 kommen 45 neue Lehrlinge hinzu.“Gerne gesehen sind Poly-Schülerinnen und -Schüler beim Logistikunternehmen Quehenberger. „Wir gehen gezielt in die polytechnischen Schulen, da wir immer gute Erfahrungen gemacht haben“, sagt Julia Fallmann, Marketing- und Personalleiterin. Erst am Dienstag habe ein Gespräch mit einer Poly-Schülerin stattgefunden.