Salzburger Nachrichten

Die Schätze des Hannibal

Über jugendlich­e Expedition­en und eine besondere Art der Inflation im digitalen Zeitalter.

- Fritz Messner

Neulich ging es darum, wie wir früher zu unseren Schallplat­ten gekommen sind. Ich stellte mich dafür nach der Schule an die Mautstelle der damals noch nagelneuen A10 und „stoppte“per Anhalter nach Salzburg. Dort, in der Pfeifergas­se, war das Ziel meiner Expedition­en, der Plattenlad­en namens Hannibal, in dem auch die speziellst­en Objekte meiner Begierde gestapelt waren.

Ich kratzte mein Taschengel­d zusammen und rechnete durch, ob der Betrag für eine oder ausnahmswe­ise gar für zwei Scheiben reichen würde, ließ mir einige Titel anspielen und entschied dann, welcher vinylene Schatz mit mir den Heimweg antreten würde. Gemeinsam fuhren wir mit dem Obus bis zur Kehre am Ende der Alpenstraß­e, stellten uns zur Tafel mit der 70er-Beschränku­ng und warteten auf Tagespendl­er oder Ausflügler aus dem Lungau, die uns dann wieder heim hinter den Tauern transporti­eren würden.

Dort führte der erste Weg schnurstra­cks hinauf in mein Zimmer, ich packte die Platte aus, legte sie auf den Plattentel­ler und ließ die Nadel sanft in die Anfangsril­le gleiten. Schon das Rauschen war reinste Musik und der erste Ton eine Offenbarun­g. Stundenlan­g saß ich dann da, hörte das Album immer wieder durch, das Cover in den Händen und das Englisch-Wörterbuch neben mir. Meine Platten waren damals mein wertvollst­er Besitz und haben noch immer einen hohen ideellen Wert für mich.

Heute kann man sich ohne Mühe jedes beliebige Musikstück in Sekundenbr­uchteilen digital komprimier­t herunterla­den. Das ist bequem, die Musik ist dadurch aber – wie vieles andere heutzutage – inflationä­r geworden und hat an Wert verloren. Wenn nicht nach spätestens 15 Sekunden der Refrain kommt, wird weitergeza­ppt. Schade, irgendwie.

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