Die Schätze des Hannibal
Über jugendliche Expeditionen und eine besondere Art der Inflation im digitalen Zeitalter.
Neulich ging es darum, wie wir früher zu unseren Schallplatten gekommen sind. Ich stellte mich dafür nach der Schule an die Mautstelle der damals noch nagelneuen A10 und „stoppte“per Anhalter nach Salzburg. Dort, in der Pfeifergasse, war das Ziel meiner Expeditionen, der Plattenladen namens Hannibal, in dem auch die speziellsten Objekte meiner Begierde gestapelt waren.
Ich kratzte mein Taschengeld zusammen und rechnete durch, ob der Betrag für eine oder ausnahmsweise gar für zwei Scheiben reichen würde, ließ mir einige Titel anspielen und entschied dann, welcher vinylene Schatz mit mir den Heimweg antreten würde. Gemeinsam fuhren wir mit dem Obus bis zur Kehre am Ende der Alpenstraße, stellten uns zur Tafel mit der 70er-Beschränkung und warteten auf Tagespendler oder Ausflügler aus dem Lungau, die uns dann wieder heim hinter den Tauern transportieren würden.
Dort führte der erste Weg schnurstracks hinauf in mein Zimmer, ich packte die Platte aus, legte sie auf den Plattenteller und ließ die Nadel sanft in die Anfangsrille gleiten. Schon das Rauschen war reinste Musik und der erste Ton eine Offenbarung. Stundenlang saß ich dann da, hörte das Album immer wieder durch, das Cover in den Händen und das Englisch-Wörterbuch neben mir. Meine Platten waren damals mein wertvollster Besitz und haben noch immer einen hohen ideellen Wert für mich.
Heute kann man sich ohne Mühe jedes beliebige Musikstück in Sekundenbruchteilen digital komprimiert herunterladen. Das ist bequem, die Musik ist dadurch aber – wie vieles andere heutzutage – inflationär geworden und hat an Wert verloren. Wenn nicht nach spätestens 15 Sekunden der Refrain kommt, wird weitergezappt. Schade, irgendwie.