Sandsäcke reichen nicht gegen den Tsunami
Inflation, Corona und Kriegsängste haben das Potenzial, politische Systeme auf den Kopf zu stellen.
Man stelle sich vor, eine Regierung würde auf den Gedanken kommen, von den Guthaben und Geldbeständen ihrer Bürgerinnen und Bürger Jahr für Jahr acht Prozent einzukassieren, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Ein Volksaufstand wäre die Folge.
Bemerkenswerterweise passiert seit geraumer Zeit genau das, ohne dass die Straßen voll wären mit Protestierenden. Die mit acht Prozent dahingaloppierende Inflation führt dazu, dass ein Sparbuch, das vor einem Jahr 10.000 Euro aufwies, heute nur den faktischen Wert von 9200 Euro hat. Ein wenig besser, aber noch lange nicht gut sieht die Situation bei Gehältern und Pensionen aus. Diese werden zwar alljährlich erhöht, aber lange nicht um jene acht Prozent, die notwendig wären, um den Verlust an Kaufkraft auszugleichen. Der Staat lacht sich mittlerweile in beide Fäustchen. Profitiert er doch einerseits von den inflationsbedingt sprudelnden Steuereinnahmen. Und andererseits vom Umstand, dass er sich dank der Nullzinspolitik der EZB fast gratis verschulden kann. Was er auch nach Herzenslust tut.
So also ist derzeit die Situation. Und obgleich die gegenwärtigen sozialen Verwerfungen das Potenzial haben, Regierungen zu stürzen und politische Systeme auf den Kopf zu stellen, hat man nicht den Eindruck, dass die Politik mit Volldampf dagegen ankämpft. Die Abschaffung der Sparzinsen (die breite Schichten ihres Wohlstands beraubt) oder die Bindung der Energiepreise an den teuersten Energieträger (nämlich das derzeit fast unerschwingliche Gas) sind weder Naturgesetze noch gottgewollt, sondern politische Entscheidungen, die jederzeit rückgängig gemacht werden könnten. Das geschieht nicht, stattdessen muss – um nur ein Beispiel zu nennen – die rote Wiener Stadtpolitik hinnehmen, dass die rote Wien Energie den ernst gemeinten Antrag stellt, die Preise für die Fernwärme zu verdoppeln. Funkstille im Wiener Rathaus. Die Politik, und zwar nicht nur in Wien, scheut den Systemwechsel. Sie beschränkt sich darauf, die ärgste Not mit Zuschüssen und Hilfszahlungen zuzukleistern. Sie schlichtet Sandsäcke gegen einen Tsunami auf.
Gleichzeitig tobt der Krieg vor unserer Haustür, und es gibt keine Hoffnung, dass er bald endet. Gleichzeitig nimmt Corona den nächsten Anlauf, und es gibt keine Hoffnung, dass das Virus eines Tages wirklich überwunden sein wird. Die einzige Hoffnung besteht darin, dass gute Politik all diese Probleme lösen oder zumindest mildern kann. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben.