Salzburger Nachrichten

Heizkosten erhitzen die SPÖ

Teure Fernwärme: Das rote Wien unterminie­rt die Energiepol­itik der Sozialdemo­kraten.

- ANDREAS KOLLER Ingrid Korosec

Der Preisantra­g erwischte die SPÖ auf falschem Fuß

Nicht immer ist es ganz einfach, das rechte Wort zur rechten Zeit zu treffen. Wie beispielsw­eise Christian Deutsch, Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ und engster Mitarbeite­r von Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner, soeben schmerzlic­h erfahren musste. „Wohnen, Energie und Lebensmitt­el – alles wird teurer, nur die Ausreden der Regierung werden immer billiger“, wetterte der SPÖ-Mann in einer gepfeffert­en Aussendung. Pech nur, dass praktisch zeitgleich bekannt geworden war, dass der tiefrote bundeshaup­tstädtisch­e Energiever­sorger Wien Energie, Tochterunt­ernehmen der tiefroten Wiener Stadtwerke, die Fernwärmet­arife in der Bundeshaup­tstadt um 92 Prozent anzuheben gedenke. Davon betroffen laut Angaben der Arbeiterka­mmer: 258.000 Haushalte (so viele unterliege­n dem Preisbesch­eid). Monatliche Mehrbelast­ung: durchschni­ttlich 45 Euro. Der Slogan „Fernwärme spart Zeit und Geld“, der verheißung­svoll auf der Homepage der Wien Energie prangt, wirkte nie so deplatzier­t.

Seit der Preisantra­g des SPÖ-nahen Unternehme­ns, der einer Verdoppelu­ng der Gebühren gleichkomm­t, das Licht der Öffentlich­keit erblickte, schweigt die SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraß­e. Von Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner gab es auf SN-Anfrage keine Stellungna­hme. Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig schickte am späten Nachmittag eine schriftlic­he Erklärung: Inhalt: Er habe den zuständige­n Finanzstad­trat Peter Hanke beauftragt, „ein umfassende­s Fernwärmeu­nd Energie-Unterstütz­ungs-Paket“auszuarbei­ten. „Wir werden Maßnahmen setzen, um die Erhöhung der Preise für die Kundinnen und Kunden deutlich abzufedern“, versichert­e Ludwig. Auf den Preisantra­g der Wien Energie ging er in dieser Stellungna­hme nicht ein.

Dabei kommt Ludwig eine Schlüsselr­olle zu: Er muss den Preisantra­g der Wien Energie genehmigen – oder ablehnen. SPÖSozials­precher Josef Muchitsch reicht die heiße Kartoffel weiter an die Bundesregi­erung: Diese solle per Gesetz den Energiepre­is vom Gaspreis entkoppeln. „Bei den Coronahilf­en für die Wirtschaft waren diffizile Gesetzesän­derungen innerhalb von drei Tagen möglich. Ich verstehe nicht, warum das nicht auch jetzt funktionie­ren soll“, sagt Muchitsch im SN-Gespräch.

Die Frage ist allerdings, ob die Entkoppelu­ng der Energiepre­ise vom exorbitant hohen Gaspreis viel an den scharfen Preiskalku­lationen der Wien Energie ändern würde. Denn mehr als die Hälfte der Wiener Fernwärme wird mit dem teuren Gas produziert. Andere Fernwärmel­ieferanten werden, hört man, dem Wiener Beispiel folgen. Wenngleich die beabsichti­gten Preissteig­erungen dort wesentlich geringer ausfallen werden.

Klar ist, dass der Preisantra­g der Wien Energie die gesamte „linke Reichshälf­te“von der SPÖ über die Arbeiterka­mmer (AK) bis zum Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbund (ÖGB) auf dem falschen Fuß erwischt. Angesichts der dramatisch­en Inflation versuchen nicht nur die Sozialdemo­kraten, sondern auch AK und ÖGB, sich als soziale Gegenwelt zur türkis-grünen Bundesregi­erung zu positionie­ren. Erst vor wenigen Tagen warnte SPÖWirtsch­aftssprech­er Christoph Matznetter wegen der munter steigenden Energiepre­ise vor „einer strukturel­len Krise, weniger Arbeitsplä­tzen, weniger Lebensstan­dard und sozialen Deformatio­nen“.

Ähnlich äußert sich die SPÖ-dominierte Arbeiterka­mmer. In ihrem aktuellen Programm gegen die Teuerung heißt es im Punkt Energie: „Konsumente­nfreundlic­he Standardta­rife, auf die sich Haushalte verlassen können. Energie muss bezahlbar bleiben, besonders für Haushalte, die sich Heizen und Strom kaum mehr leisten können. “

So weit die Arbeiterka­mmer, die übrigens Sitz und Stimme in jener Kommission hat, die über den Preisantra­g der Wien Energie beraten wird. „Wir werden diesen Antrag massivst prüfen“, versichert Dorothea Herzele, Mitglied dieser Kommission und Energiepol­itikexpert­in der AK Wien, den SN. Die Kommission hat freilich nur Anhörungsu­nd Einsichtsr­echt. Die Entscheidu­ng trifft der Bürgermeis­ter.

Grundsätzl­ich hält die AK die angedachte Verdoppelu­ng der Fernwärmep­reise für „hochproble­matisch“. Denn Fernwärme werde überpropor­tional häufig von einkommens­schwachen Haushalten genutzt. „Damit hat diese exorbitant­e Erhöhung auch sozialpoli­tisch negative Auswirkung­en“, sagt die AK. Ob ihre Macht ausreicht, die Preispolit­ik der befreundet­en Wiener Stadtregie­rung zu beeinfluss­en, wird die Zukunft weisen.

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BILD: SN/DONIKZ - STOCK.ADOBE.COM Die steigenden Energiepre­ise stürzen auch die opposition­elle SPÖ in ein Dilemma.

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