Heizkosten erhitzen die SPÖ
Teure Fernwärme: Das rote Wien unterminiert die Energiepolitik der Sozialdemokraten.
Der Preisantrag erwischte die SPÖ auf falschem Fuß
Nicht immer ist es ganz einfach, das rechte Wort zur rechten Zeit zu treffen. Wie beispielsweise Christian Deutsch, Bundesgeschäftsführer der SPÖ und engster Mitarbeiter von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, soeben schmerzlich erfahren musste. „Wohnen, Energie und Lebensmittel – alles wird teurer, nur die Ausreden der Regierung werden immer billiger“, wetterte der SPÖ-Mann in einer gepfefferten Aussendung. Pech nur, dass praktisch zeitgleich bekannt geworden war, dass der tiefrote bundeshauptstädtische Energieversorger Wien Energie, Tochterunternehmen der tiefroten Wiener Stadtwerke, die Fernwärmetarife in der Bundeshauptstadt um 92 Prozent anzuheben gedenke. Davon betroffen laut Angaben der Arbeiterkammer: 258.000 Haushalte (so viele unterliegen dem Preisbescheid). Monatliche Mehrbelastung: durchschnittlich 45 Euro. Der Slogan „Fernwärme spart Zeit und Geld“, der verheißungsvoll auf der Homepage der Wien Energie prangt, wirkte nie so deplatziert.
Seit der Preisantrag des SPÖ-nahen Unternehmens, der einer Verdoppelung der Gebühren gleichkommt, das Licht der Öffentlichkeit erblickte, schweigt die SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße. Von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gab es auf SN-Anfrage keine Stellungnahme. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig schickte am späten Nachmittag eine schriftliche Erklärung: Inhalt: Er habe den zuständigen Finanzstadtrat Peter Hanke beauftragt, „ein umfassendes Fernwärmeund Energie-Unterstützungs-Paket“auszuarbeiten. „Wir werden Maßnahmen setzen, um die Erhöhung der Preise für die Kundinnen und Kunden deutlich abzufedern“, versicherte Ludwig. Auf den Preisantrag der Wien Energie ging er in dieser Stellungnahme nicht ein.
Dabei kommt Ludwig eine Schlüsselrolle zu: Er muss den Preisantrag der Wien Energie genehmigen – oder ablehnen. SPÖSozialsprecher Josef Muchitsch reicht die heiße Kartoffel weiter an die Bundesregierung: Diese solle per Gesetz den Energiepreis vom Gaspreis entkoppeln. „Bei den Coronahilfen für die Wirtschaft waren diffizile Gesetzesänderungen innerhalb von drei Tagen möglich. Ich verstehe nicht, warum das nicht auch jetzt funktionieren soll“, sagt Muchitsch im SN-Gespräch.
Die Frage ist allerdings, ob die Entkoppelung der Energiepreise vom exorbitant hohen Gaspreis viel an den scharfen Preiskalkulationen der Wien Energie ändern würde. Denn mehr als die Hälfte der Wiener Fernwärme wird mit dem teuren Gas produziert. Andere Fernwärmelieferanten werden, hört man, dem Wiener Beispiel folgen. Wenngleich die beabsichtigten Preissteigerungen dort wesentlich geringer ausfallen werden.
Klar ist, dass der Preisantrag der Wien Energie die gesamte „linke Reichshälfte“von der SPÖ über die Arbeiterkammer (AK) bis zum Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) auf dem falschen Fuß erwischt. Angesichts der dramatischen Inflation versuchen nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch AK und ÖGB, sich als soziale Gegenwelt zur türkis-grünen Bundesregierung zu positionieren. Erst vor wenigen Tagen warnte SPÖWirtschaftssprecher Christoph Matznetter wegen der munter steigenden Energiepreise vor „einer strukturellen Krise, weniger Arbeitsplätzen, weniger Lebensstandard und sozialen Deformationen“.
Ähnlich äußert sich die SPÖ-dominierte Arbeiterkammer. In ihrem aktuellen Programm gegen die Teuerung heißt es im Punkt Energie: „Konsumentenfreundliche Standardtarife, auf die sich Haushalte verlassen können. Energie muss bezahlbar bleiben, besonders für Haushalte, die sich Heizen und Strom kaum mehr leisten können. “
So weit die Arbeiterkammer, die übrigens Sitz und Stimme in jener Kommission hat, die über den Preisantrag der Wien Energie beraten wird. „Wir werden diesen Antrag massivst prüfen“, versichert Dorothea Herzele, Mitglied dieser Kommission und Energiepolitikexpertin der AK Wien, den SN. Die Kommission hat freilich nur Anhörungsund Einsichtsrecht. Die Entscheidung trifft der Bürgermeister.
Grundsätzlich hält die AK die angedachte Verdoppelung der Fernwärmepreise für „hochproblematisch“. Denn Fernwärme werde überproportional häufig von einkommensschwachen Haushalten genutzt. „Damit hat diese exorbitante Erhöhung auch sozialpolitisch negative Auswirkungen“, sagt die AK. Ob ihre Macht ausreicht, die Preispolitik der befreundeten Wiener Stadtregierung zu beeinflussen, wird die Zukunft weisen.