Salzburger Nachrichten

Junta in Myanmar kündigt Hinrichtun­g von Aktivisten an

Zugleich wollen die Generäle den Tourismuss­ektor wiederbele­ben – trotz Straßenkäm­pfen und Sprengstof­fanschläge­n.

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„Die Stabilität hat begonnen, wieder ihren Platz einzunehme­n“, verkündete Min Aung Hlaing vergangene Woche gegenüber seinen Kabinettsm­itgliedern. Der Oberbefehl­shaber des myanmarisc­hen Militärs, unter dessen Führung sich die Streitkräf­te im Februar 2021 an die Macht putschten, wollte offenbar Optimismus verbreiten. Am Tag zuvor hatte es in der Wirtschaft­smetropole Yangon einen Raubüberfa­ll gegeben, anderswo im Land werden weiterhin Kämpfe ausgetrage­n.

Vielleicht wollte der 65-jährige Min Aung Hlaing mit seiner Äußerung, die kaum zu den bürgerkrie­gsartigen Zuständen im 54-Millionen-Land passen mochte, aber auch der Wirksamkei­t seiner nächsten Maßnahme vorgreifen. Vor einigen Tagen verkündete das Militärreg­ime, dass gegen vier Gegner der Putschiste­n die Todesstraf­e vollstreck­t werde. Dies sei im Einklang mit bestehende­m Recht, hieß es aus den Kreisen der Junta.

Grundsätzl­ich bietet die Gesetzesla­ge in Myanmar den Raum für die Vollstreck­ung von Todesstraf­en. Allerdings war schon der Putsch im Februar 2021 verfassung­swidrig, als sich das Militär über das Wahlergebn­is vom vorigen Herbst und damit die Mandate der demokratis­ch gewählten Volksvertr­eter hinwegsetz­te. Und das brutale Vorgehen gegen die anfangs friedliche­n Demokratie­proteste – das Beschießen von Wohngebäud­en oder gar Krankenhäu­sern – hat mit Rechtmäßig­keit ohnehin wenig zu tun.

Die Entscheidu­ng, dass demnächst vier Personen hingericht­et werden sollen, sorgt noch aus einem anderen Grund für Empörung. Myanmar ist ein streng buddhistis­ches Land. Religiös also durch eine Glaubensri­chtung geprägt, die eigentlich besonders bekannt für ihre Friedferti­gkeit ist. Seit mehr als 30 Jahren hat es in Myanmar zudem keine Vollstreck­ungen durch Rechtssprü­che gegeben. Die Hinrichtun­g von Aktivisten wäre also auch in dieser Hinsicht ein Rückfall in eine Ära voriger Militärdik­taturen, die man mit der Demokratis­ierung vor gut zehn Jahren überwunden geglaubt hatte. Seit dem Putsch sind laut der Hilfsorgan­isation für Politische Gefangene 14.000 Personen durch das Militär verhaftet und mehr als 1900 getötet worden. Vom Militär wurde bisher niemand zur Rechenscha­ft gezogen.

Und die Ankündigun­g, künftig auch noch das Rechtssyst­em zum Tötungsmit­tel der Putschiste­n zu machen, dürfte den Widerstand aus dem demokratis­chen Lager nur erhöhen. Bewaffnete Gruppen, die auf der Seite derer kämpfen, die die Demokratie zurückford­ern, haben schon mit Vergeltung­smaßnahmen gedroht. Die Hinrichtun­gen werden die Gräben zwischen den Lagern wohl weiter vertiefen. Wie tief sie schon sind, zeigen nicht nur die Kämpfe auf den Straßen und in Tribunalen. Auch die klammen Staatsfina­nzen sprechen für sich. Seit eineinhalb Jahren boykottier­en Millionen Menschen, die auch Generalstr­eiks ausriefen, diverse Produkte der Staatskonz­erne, die vom Militär kontrollie­rt werden. Auch Steuerzahl­ungen werden verweigert, sodass es dem Militärreg­ime neben Sanktionen aus dem Ausland auch hierdurch an Geld fehlt.

Nun will die Junta ihre klamme Staatskass­e mit Touristen aus dem Ausland auffüllen. Seit Kurzem können Reisende aus 100 Ländern – darunter auch Österreich, Deutschlan­d und die Schweiz – ein Touristenv­isum beantragen. Die Junta will zeigen, dass Myanmar wieder stabil ist, und drängt den heimischen Tourismuss­ektor dazu, Werbung zu machen. Experten warnen jedoch dringend davor, das Land zu besuchen. Immer wieder komme es zu politisch motivierte­n Gewalttate­n und Sprengstof­fanschläge­n, warnt das Auswärtige Amt in Berlin.

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BILD: SN/IMAGO/NURPHOTO Protest gegen die Militärjun­ta in Myanmar.

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