Mehr Schatten als Licht bei der Plattformarbeit
Studie belegt Löhne unter der Armutsschwelle, prekäre Verhältnisse und falsche Selbstständigkeit.
WIEN. Ob Fahrradboten, Essenslieferdienste oder Personenbeförderer – neue auf elektronischen Plattformen basierende Geschäftsmodelle haben unübersehbar Einzug in unser Leben gehalten. Viele von ihnen haben während der Coronazeit von den Einschränkungen profitiert und ihre Präsenz verstärkt.
Neben Vorteilen wie dem raschen Zugang über App oder Internet und flexiblen Dienstzeiten für die Ausführenden weisen solche plattformbasierten Arbeitsformen auch Schattenseiten auf. Vielfach fehlt es an Transparenz, unter welchen Bedingungen die
Arbeit dann tatsächlich abläuft. Jetzt hat das globale Netzwerk Fairwork sechs in Österreich aktive Plattformen genauer analysiert.
Die Bewertung nach fünf Kriterien – faire Bezahlung, faire Arbeitsbedingungen, faire Verträge, faires Management und faire Mitbestimmung – ergibt ein sehr heterogenes Bild. Insgesamt am besten schnitt der Essenszusteller Lieferando ab, der acht von zehn möglichen Punkten erreichte. Schlusslicht war der Taxidienst Bolt mit einem Punkt, während es Branchenkollege Uber so wie der Lebensmittelzusteller Alfies auf lediglich zwei Zähler brachte. Der Essenslieferer Mjam erreichte vier, das Reinigungsunternehmen ExtraSauber fünf Punkte.
Oft hapere es bei der fairen Bezahlung, stellt Laura Vogel von der TU Wien fest. So konnte nur die Hälfte der Plattformen nachweisen, dass ihre Bezahlung über der Schwelle zur Armutsgefährdung liegt. Diese lag zuletzt bei 1616,16 Euro monatlich oder 9,32 Euro pro Stunde (brutto). Nur Lieferando zahlt einen Stundenlohn darüber, der einem Mindestlohn laut Kollektivvertrag entspricht. Für Vogel „ein Indikator, dass in der heimischen Plattformökonomie Bedingungen geschaffen werden, die Armut trotz Erwerbsarbeit befördern“.
Die Plattformökonomie sei „durch die Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse und niedriger Verdienstmöglichkeiten gekennzeichnet“, der gewerkschaftliche Organisierungsgrad gering. Sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen würden oft umgangen, indem man die Tätigkeit fälschlich als selbstständig deklariere.
Für Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak zeigt sich, dass gute Arbeitsbedingungen „im Wesentlichen nur durch Anwendung des Arbeitsrechts gewährleistet sind“. Viele würden sich dennoch für eine (Schein-)Selbstständigkeit entscheiden in der Annahme, damit mehr Einfluss auf Arbeitszeit und -volumen nehmen zu können. Doch die Suggestion der Plattformen, mehr Freiheit bedinge den Verzicht auf arbeitsrechtlichen Schutz, sei „arbeitsrechtlich schlicht falsch“.