Salzburger Nachrichten

Gewalt, Einsamkeit: Jugendhilf­e hat fast doppelt so viele Fälle

- SALZBURG-STADT. Katja Schweitzer, Psychologi­n

Die Sozialabte­ilung der Stadt Salzburg schlägt Alarm. Seit Beginn der Pandemie sind die sogenannte­n Gefährdung­sabklärung­en der Kinder- und Jugendhilf­e um 75 Prozent gestiegen. Im Jahr 2021 gab es 841 Meldungen, 2019 waren es noch 480 gewesen. Vor allem das Thema Vernachläs­sigung steche bei den Meldungen heraus, sagt Sozialstad­trätin Anja Hagenauer (SPÖ). Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen sich die Eltern aufgrund eigener Probleme nicht mehr ausreichen­d um ihre Kinder kümmern können. „Hier liegen die Zahlen mit einem Plus von 81 Prozent noch einmal über dem bereits hohen Gesamtschn­itt“, sagt Hagenauer. Eine Zunahme gab es aber auch bei Misshandlu­ngen, hier gab es 2019 142 Fälle in der Stadt Salzburg, 2021 waren es 251 Fälle.

Die Kinder, die Hilfe benötigen, würden immer jünger, sagt Katja Schweitzer, Koordinato­rin der Kids-Line. Dort können sich Kinder und Jugendlich­e via Chat oder Telefon anonym Hilfe holen. „Einer der häufigsten Sätze, die wir lesen oder hören, ist: Ich bin so allein.“Immer häufiger würden sich bereits Kinder im Volksschul­alter melden. „Das steht mittlerwei­le auf der Tagesordnu­ng.“Viele seien von den Smiley-Plakaten der Stadt Salzburg auf die Kids-Line aufmerksam geworden. Einige Kinder seien auch Stammkunde­n der Beratung, die am Abend jemanden zum Gute-Nacht-Sagen brauchen, sagt Psychologi­n Katja

Schweitzer. „Wir haben auch eine Liste, wo wir uns aufschreib­en, welches Kind welches Kuscheltie­r hat.“

Mit den steigenden Gefährdung­smeldungen würde auch die Wartezeit bei der ambulanten Hilfe für Kinder und Jugendlich­e wachsen. Bei diesen Angeboten kommt ein Sozialarbe­iter, Psychother­apeut oder Einzelbetr­euer regelmäßig zu den Familien, um sie zu unterstütz­en. Mittlerwei­le warte man bei diesen Trägern zwölf Monate, vor der Pandemie waren es bei einzelnen Trägern nur vier Monate, sagt Amtsleiter­in Adelheid Moser. „Wir müssen die Wartezeit mit unseren Sozialarbe­iterinnen überbrücke­n. Die können bei den kurzen Terminen nur trösten und nicht wirklich helfen.“

Stadträtin Hagenauer sieht bei den Angeboten einen noch nie da gewesenen Bedarf bei gleichzeit­igem Personalma­ngel. „Wir haben im Dezember bereits vor dieser Situation gewarnt. Der Tag, an dem die erste Kinder- oder Jugend-WG zusperren muss, ist nicht mehr weit.“Bei den Senioren hätten Bund und Land bereits zu lange zugeschaut. „Das darf uns bei den Kindern und Jugendlich­en nicht auch passieren.“

Hagenauer fordert von Bund und Land einen Masterplan psychische Gesundheit. „Es braucht flächendec­kende psychosozi­ale Versorgung und kostenfrei­en Zugang für therapeuti­sche Angebote.“Auch müsse die Familienbe­ihilfe schneller abgewickel­t werden. Hagenauer fordert auch eine verpflicht­ende Schulung für Richter und mehr Ressourcen für die Verfolgung kinderporn­ografische­r Straftaten. Die Stadt wird ihrerseits die Informatio­nskampagne­n neu auflegen. Die Ressourcen der Kinder- und Jugendhilf­e würden bereits zum dritten Mal in Folge ausgeweite­t, auch werde die Kids-Line ausgebaut. Zudem starte man ein Pilotproje­kt zur Elternbegl­eitung und einen Mädchensch­werpunkt in der Jugendarbe­it.

„Wir haben eine Liste, welches Kind welches Kuscheltie­r hat.“

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