Salzburger Nachrichten

Zu spät und zu wenig? Der Blick geht nach vorn

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Und sie bewegt sich doch. Nach elf Jahren bis auf null Prozent sinkender Leitzinsen beendet die Europäisch­e Zentralban­k die Phase der außergewöh­nlichen Geldpoliti­k. Die milliarden­schweren Wertpapier­käufe

werden gestoppt. Ab Juli geht es auch mit den Zinsen nach oben, wenn auch sehr moderat. In einem ersten Schritt um einen Viertelpro­zentpunkt, aber weitere sind bereits avisiert.

Viel zu spät sei die EZB dran, viel zu wenig sei das, was sie mache, sagen ihre Kritiker. Man

kann der EZB und anderen Notenbanke­n vorwerfen, dass sie zu lange daran festhielte­n, der Anstieg der Inflation sei vorübergeh­end. Aber sie wäre auch nicht so stark gestiegen, hätte es den russischen Angriff auf die Ukraine nicht gegeben. Der Sprung, den die Inflation seither gemacht hat, ist politisch

bedingt. Die Sanktionen treiben die Preise für Energie und Nahrungsmi­ttel in die Höhe. Sie machen zusammen fast drei

Viertel der hohen Inflation aus. Dagegen kann die EZB wenig

tun. Sie kann Inflation dämpfen, wenn der Konjunktur­motor überhitzt, weil zu viel auf Pump

konsumiert und investiert wird. Gegen Preiskapri­olen auf den Märkten ist sie fast machtlos.

Es ist vor allem Aufgabe der Fiskalpoli­tik, die Folgen der hohen Inflation zu dämpfen, die alle zu spüren bekommen, aber

viele Menschen existenzie­ll bedrohen. Eine Notenbank muss dafür sorgen, dass die Menschen vertrauen, dass sie die

Währung stabil hält. Dafür werden die 0,25 Prozent im Juli

nicht ausreichen, das weiß man in der EZB. Auch die US-Notenbank hat die Zinsen im ersten Schritt nur um einen Viertelpro­zentpunkt erhöht. Geldpoliti­k ist nichts für Hasardeure. EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde sagte, dass man sich bei den Zinsen auf eine Reise begebe. Dazu ist nur zu sagen: Reisende soll man nicht aufhalten.

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