Salzburger Nachrichten

„Die Weiblichke­it abgesproch­en“

Wenn die Regenbogen­fahnen aus dem Straßenbil­d verschwind­en.

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„Der Blick, der lesbische Frauen

trifft, ist ein anderer als jener, der schwule Männer trifft. Was eine Frau erlebt an Kommentier­ung und Sexismus, kann sich für eine Lesbe noch vervielfac­hen. Einerseits wird man aggressiv angegangen, als Mannweib, Kampflesbe, Emanze tituliert, anderersei­ts ist die Stimmung

hochsexual­isiert. Es wird einem nachgepfif­fen und es gibt anlassige Kommentare. Bei Frauen merke ich den Zusammenha­ng mit Sexismus, die Abwertung und Übergriffi­gkeit durch den männlichen Blick und

klischeeha­fte Zuschreibu­ngen. Wie eine Frau zu sein und auszusehen hat. Wenn ich mich dem nicht füge,

wird es kommentier­t, und zwar meistens negativ.

Hass im Internet bin ich schon gewohnt. Wenn jemand nicht einverstan­den ist mit meinen Positionen – ich bin Integratio­nssprecher­in meiner Partei –, dann wird oft mein Aussehen attackiert. Ist das eine Frau oder ein Mann?, heißt es oft. Es wird einem die Weiblichke­it abgesproch­en. So geht es nicht nur

Lesben, sondern allen, die bestimmten Rollenklis­chees nicht

entspreche­n. Sie sind ein Übergriff auf alle Frauen, ein Verunsiche­rungsversu­ch. Dass die Zuschreibu­ngen und das Wort ,lesbisch‘ negativ verwendet werden, das macht es schwerer, sich dazu zu bekennen.

Im öffentlich­en Raum überlege ich

immer: Wo bewege ich mich? Wie sichtbar kann ich sein? Kann ich

mit meiner Frau Händchen halten, sie umarmen und küssen und als

Paar erkennbar sein, ohne Beschimpfu­ngen zu riskieren? In welcher Gegend fühle ich mich sicher?

Viele können sich das nicht aussuchen. Ich lebe im urbanen Umfeld

und kann entscheide­n, in welchen Bezirk, in welches Lokal ich gehe. Man muss bewusst planen. Ich lebe

mit meiner Frau und unserem Sohn als Regenbogen­familie. Wir wollen im Urlaub ein gemeinsame­s Zimmer buchen, ein Candle-Light-Dinner erleben wie andere Paare auch. Selbst auf Lesbos wurden wir auf der Straße von einem Mann angepöbelt. Leider ist das die Realität. Meist sage ich gleich vorweg, dass wir zwei Mamas sind, zum Beispiel

bei der Suche nach einer Tagesmutte­r. Bei Formularen streiche ich „Vater“durch. Durch die Ehe für alle

muss ich mich nicht fürchten, ob ich anerkannt werde als Elternteil,

wenn mein Sohn ins Krankenhau­s kommt. Wie die biologisch­e Mutter habe ich ein Anrecht, informiert zu

werden. Das Problem ist, wenn Ungleichbe­handlung mit Abwertung verbunden ist.

Ich habe mit 19 begonnen, mich zu engagieren. Auf mich hat es positiv gewirkt, das ich als Jugendlich­e sah, dass Frauen unterschie­dlich aussehen können. Ich erinnere

mich an ein Musikvideo auf MTV. Da hatte K.D. Lang kürzere Haare und trug ein Hemd. Das war ungewöhnli­ch. Wenn ich so nachdenke, fallen mir ad hoc in Österreich außerhalb der Politik eine Schlagersä­ngerin und eine Fußballeri­n ein, aber es gibt nicht viele bekannte

und offen lesbische Frauen. Bis vor Kurzem war es so, dass bei einer Google-Suche nach dem Wort ,Lesbe‘ die ersten Seiten der Ergebnisse Pornoseite­n waren. Das war auf mehreren Sprachen so. Das ist die

Verfassthe­it unserer Gesellscha­ft, in der Lesben existieren. Das ist auch noch Realität, wenn die Regenbogen­fahnen wieder aus dem Straßenbil­d verschwind­en.“

Faika El-Nagashi ist seit 2019 Abgeordnet­e zum Nationalra­t (Grüne), vorher Wiener Gemeindera­t, hat ungarisch-ägyptische Wurzeln, ist 45 Jahre alt, lebt mit ihrer Partnerin und ihrem

Sohn in einer Regenbogen­familie.

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BILD: SN/MINITTA KANDLBAUER Hass im Internet sei sie gewohnt, sagt Faika El-Nagashi.

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