Rechnungshof schickt Prüfer in ÖVP-Zentrale
Nach einem Blick in die Kassen der Volkspartei greift der Rechnungshof nun hart durch. Er zweifelt die Abrechnung der Kanzlerpartei an.
WIEN. Und wieder gibt es eine politisch brisante Premiere bei der ÖVP: Erstmals schickt der Rechnungshof einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale. Der Grund für diesen
ungewöhnlichen Vorgang ist, dass der Rechnungshof die ordnungsgemäße Abrechnung der Wahlkampfkosten aus dem Wahljahr 2019 durch die Volkspartei anzweifelt.
Der Wirtschaftsprüfer soll sich nun die Sache genau ansehen.
„Unklarheiten“
Dass die Volkspartei mittlerweile die dritte Version ihres Rechenschaftsberichts vorgelegt hat, dürfte nicht wirklich das Vertrauen in diesen gestärkt haben. Schon zwei Mal schickte der Rechnungshof den eigentlich jährlich abzugebenden Bericht zurück, wegen „Unklarheiten“. Die ÖVP lieferte somit als einzige Parlamentspartei erst mit dreijähriger Verspätung den Rechenschaftsbericht für das Jahr 2019.
Kosten
Und der Bericht wirft für die Prüfer zahlreiche Fragen auf. Etwa: Kann es stimmen, dass die Volkspartei, wie von ihr angegeben, für den EUWahlkampf (6,9 Millionen Euro) im Jahr 2019 mehr Geld ausgab als für den Nationalratswahlkampf (5,6 Millionen Euro) im selben Jahr? „Wir lassen uns aber gerne davon überzeugen“, sagte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker.
Laut SN-Informationen dürften außerdem interne Dokumente darauf hinweisen, dass die gesetzliche
Wahlkampfobergrenze von sieben Millionen Euro wie schon bei der Nationalratswahl 2017 nicht eingehalten wurde. Auch das soll der unabhängige Wirtschaftsprüfer, der
nun ausgewählt wird, klären. Insgesamt hat die ÖVP im Jahr 2019 25,9 Millionen Euro eingenommen. Ausgegeben hat sie 27,7 Millionen. Zudem hat sie im Wahljahr sieben Millionen Euro Kredit aufgenommen.
Angezeigt
Der Rechnungshof hat bereits beim Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) einige Verstöße angezeigt. Als verdeckte bzw. unzulässige Parteispenden angezeigt
wurden Wahlkampfinserate in der „Niederösterreich Zeitung“der ÖVP (64.000 Euro), die Werbung des Landwirtschaftsministeriums für den Bauernbundball (43.200 Euro) sowie zwei vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Umfragen
vor der EU-Wahl 2019 (26.208 Euro). Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass die ÖVP Geldbußen nach dem Parteiengesetz zahlen muss.
Seniorenbund
Der Rechnungshof hat sich noch nicht mit den umstrittenen Coronahilfen für den ÖVP-Seniorenbund aus dem Hilfstopf für Vereine befasst, allerdings haben sich die Prüfer mit der Frage beschäftigt, ob der Seniorenbund (wie von der ÖVP behauptet) ein von der Partei unabhängiger Verein ist. Für die Prüfer ist klar, dass er zur Partei gehört. Als Teil der ÖVP hätte der Seniorenbund keine Coronahilfen beziehen dürfen. Eine parlamentarische Anfragebeantwortung weist übrigens aus, dass fast nur ÖVP-nahe Vereine aus dem Hilfsfonds kassierten.
Wirtschaftsbund
Finanzstärkster Bund der ÖVP ist der Wirtschaftsbund. Er meldete Einnahmen von 23,7 Millionen Euro
und gab 24,1 Millionen Euro aus. Der Vorarlberger Wirtschaftsbund
geriet zuletzt wegen dubioser Geldflüsse in Richtung ÖVP in die Schlagzeilen. Auch hier hat der Rechnungshof 1,3 Millionen Euro als verdeckte Parteispende an den
Senat gemeldet.