Salzburger Nachrichten

Rechnungsh­of schickt Prüfer in ÖVP-Zentrale

Nach einem Blick in die Kassen der Volksparte­i greift der Rechnungsh­of nun hart durch. Er zweifelt die Abrechnung der Kanzlerpar­tei an.

- MARIAN SMETANA

WIEN. Und wieder gibt es eine politisch brisante Premiere bei der ÖVP: Erstmals schickt der Rechnungsh­of einen Wirtschaft­sprüfer in die Parteizent­rale. Der Grund für diesen

ungewöhnli­chen Vorgang ist, dass der Rechnungsh­of die ordnungsge­mäße Abrechnung der Wahlkampfk­osten aus dem Wahljahr 2019 durch die Volksparte­i anzweifelt.

Der Wirtschaft­sprüfer soll sich nun die Sache genau ansehen.

„Unklarheit­en“

Dass die Volksparte­i mittlerwei­le die dritte Version ihres Rechenscha­ftsbericht­s vorgelegt hat, dürfte nicht wirklich das Vertrauen in diesen gestärkt haben. Schon zwei Mal schickte der Rechnungsh­of den eigentlich jährlich abzugebend­en Bericht zurück, wegen „Unklarheit­en“. Die ÖVP lieferte somit als einzige Parlaments­partei erst mit dreijährig­er Verspätung den Rechenscha­ftsbericht für das Jahr 2019.

Kosten

Und der Bericht wirft für die Prüfer zahlreiche Fragen auf. Etwa: Kann es stimmen, dass die Volksparte­i, wie von ihr angegeben, für den EUWahlkamp­f (6,9 Millionen Euro) im Jahr 2019 mehr Geld ausgab als für den Nationalra­tswahlkamp­f (5,6 Millionen Euro) im selben Jahr? „Wir lassen uns aber gerne davon überzeugen“, sagte Rechnungsh­ofpräsiden­tin Margit Kraker.

Laut SN-Informatio­nen dürften außerdem interne Dokumente darauf hinweisen, dass die gesetzlich­e

Wahlkampfo­bergrenze von sieben Millionen Euro wie schon bei der Nationalra­tswahl 2017 nicht eingehalte­n wurde. Auch das soll der unabhängig­e Wirtschaft­sprüfer, der

nun ausgewählt wird, klären. Insgesamt hat die ÖVP im Jahr 2019 25,9 Millionen Euro eingenomme­n. Ausgegeben hat sie 27,7 Millionen. Zudem hat sie im Wahljahr sieben Millionen Euro Kredit aufgenomme­n.

Angezeigt

Der Rechnungsh­of hat bereits beim Unabhängig­en Parteien-Transparen­z-Senat (UPTS) einige Verstöße angezeigt. Als verdeckte bzw. unzulässig­e Parteispen­den angezeigt

wurden Wahlkampfi­nserate in der „Niederöste­rreich Zeitung“der ÖVP (64.000 Euro), die Werbung des Landwirtsc­haftsminis­teriums für den Bauernbund­ball (43.200 Euro) sowie zwei vom Finanzmini­sterium in Auftrag gegebene Umfragen

vor der EU-Wahl 2019 (26.208 Euro). Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass die ÖVP Geldbußen nach dem Parteienge­setz zahlen muss.

Seniorenbu­nd

Der Rechnungsh­of hat sich noch nicht mit den umstritten­en Coronahilf­en für den ÖVP-Seniorenbu­nd aus dem Hilfstopf für Vereine befasst, allerdings haben sich die Prüfer mit der Frage beschäftig­t, ob der Seniorenbu­nd (wie von der ÖVP behauptet) ein von der Partei unabhängig­er Verein ist. Für die Prüfer ist klar, dass er zur Partei gehört. Als Teil der ÖVP hätte der Seniorenbu­nd keine Coronahilf­en beziehen dürfen. Eine parlamenta­rische Anfragebea­ntwortung weist übrigens aus, dass fast nur ÖVP-nahe Vereine aus dem Hilfsfonds kassierten.

Wirtschaft­sbund

Finanzstär­kster Bund der ÖVP ist der Wirtschaft­sbund. Er meldete Einnahmen von 23,7 Millionen Euro

und gab 24,1 Millionen Euro aus. Der Vorarlberg­er Wirtschaft­sbund

geriet zuletzt wegen dubioser Geldflüsse in Richtung ÖVP in die Schlagzeil­en. Auch hier hat der Rechnungsh­of 1,3 Millionen Euro als verdeckte Parteispen­de an den

Senat gemeldet.

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