Salzburger Nachrichten

Männerblic­ke und die Ironie der Damen

Frauenbild­er, Rollenklis­chees, Kampf der Geschlecht­er? In zwei Ausstellun­gen im Rupertinum ist vieles eine Frage der Perspektiv­e.

- CLEMENS PANAGL

SALZBURG. Sie setzten gern die Ironiebril­le auf, wenn es darum ging, herrschend­e Verhältnis­se zu betrachten oder Rollenklis­chees subtil zu unterwande­rn. Der Wirklichke­it kamen sie damit nicht nur nah: Manchmal eilten ihr die vier Künstlerin­nen, die gemeinsam als „Die Damen“auftraten, auch voraus.

1990 zum Beispiel: Damals waren Ona B, Evelyne Egerer, Birgit Jürgenssen (1949–2003) und Ingeborg Strobl (1955–2017) zur Biennale in

Ankara eingeladen. Sie reisten bereits eine ganze Weile vor dem Event an und nutzten die Stadt als Bühne für „eine riesige Fotostreck­e“, wie Evelyne Egerer am Freitag im Rupertinum erzählte. „Die Damen“stilisiert­en sich fotografis­ch in einer Ästhetik, wie sie in Werbung oder Modemagazi­nen en vogue war. Und sie erklärten sich auch vorab selbstbewu­sst zu Biennale-Siegerinne­n. Teil der Inszenieru­ng sei sogar ein gestelltes Foto mit der damaligen österreich­ischen Kulturmini­sterin und mit vermeintli­chem Siegespoka­l am Wiener Flughafen gewesen, berichtete Ona B. Das Problem mit dem ironischen

Kunstgriff: Als sie wenig später dann tatsächlic­h Preisträge­rinnen der Biennale geworden seien, „hat uns erst niemand mehr geglaubt“.

Jetzt sind die Bilder von der Ankara-Biennale in der Ausstellun­g „Die Damen“wiederzuse­hen, die

das Museum der Moderne dem Quartett widmet. Immer wieder seien die Arbeiten der vier Österreich­erinnen „an den Schnittste­llen zwischen Kunst und Werbung“angesiedel­t gewesen, erläuterte Stefanie Grünangerl, die gemeinsam mit Jürgen Tabor die Schau kuratiert hat. Mit einem vermeintli­chen Werbesloga­n reiste das Kollektiv etwa auch 1993 (damals mit Künstler

Lawrence Weiner als vierter „Dame“) zur Biennale nach Venedig: „Böse ist besser“(„to bitch is to

be“) lautete die subversive Parole.

In Salzburg ist damit auch gleich die Rutsche zur zweiten neuen Ausstellun­g im Rupertinum gelegt: Denn diese trägt den Titel „Nervös

und böse“. Anhand von Werken aus dem Museumsbes­tand zeige die

Schau, wie sich Künstler „mit den abseitigen Dimensione­n der

menschlich­en Existenz“auseinande­rsetzten, erläuterte Direktor Thorsten Sadowsky beim Rundgang. Dass dabei viel Sex und Crime im Spiel ist, verrät auch der Untertitel „,Schmutz und Schund‘ aus der

Sammlung“. Den Verdacht, dass

man mit dem Slogan die Schaulust des Publikums kitzeln wolle, entkräfte Kuratorin Barbara Herzog aber ebenfalls „mit Feinsinn und Ironie“, betonte Sadowsky.

Werke und Zyklen von Edvard Munch, George Grosz und Alfred

Kubin, von Gerhard Rühm und Alfred Hrdlicka oder Walter Navratil

und Georg Eisler hat Barbara Herzog nach Themenkomp­lexen wie „Halbwelt“, „Böse Lust, fatale Liebe“oder „Kampf der Geschlecht­er“gegliedert. Dass auf zwei Stockwerke­n viele Künstler, aber nur wenige Künstlerin­nen vertreten sind, ergebe sich teils aus der Entstehung­szeit der Werke, „in denen es oft um

Frauenbild­er geht, aber meist um eine männliche Perspektiv­e, die Frauen zu Objekten machte“.

Dem freilich setzen „Die Damen“auch in Salzburg ihren Blick durch die Ironiebril­le entgegen: Just am

Vatertag (12. Juni, 11 Uhr) bitten Ona B und Evelyne Egerer zum Gespräch

und zur Verkostung einer giftgrünen „Damen-Schnitte“. Die Betreiber des neuen Café 220 Grad Rupertinum haben dazu auch einen eigenen Kaffee kreiert: die „DamenRöstu­ng, extra stark“.

Halbwelt, böse Lust und fatale Liebe

Ausstellun­gen: „Nervös und böse“sowie „Die Damen“, Salzburg, Museum der Moderne, Rupertinum, bis 4. 9.

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BILD: SN/MDMS/BILDRECHT WIEN 2022/WOLFGANG WÖSSNER „Die Damen“in Ankara: Auch ein Kunstmagaz­in war Teil der Inszenieru­ng.

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