Salzburger Nachrichten

Nicht einmal ignorieren? ServusTV bleibt auf Rekordkurs

Im Windschatt­en der ORFDebatte­n legt der stärkste Privatsend­er ständig weiter zu – auch bei Nachrichte­n und Diskussion­ssendungen.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Bestellung von Publikums- und Stiftungsr­at,

Verhandlun­gen um ein neues Gesetz, Inbetriebn­ahme des multimedia­len Newsroom: Während der ORF mit seinem Rundherum

breite Aufmerksam­keit beanspruch­t, bleiben die Rekordeins­chaltquote­n von ServusTV beinahe unter der öffentlich­en Wahrnehmun­gsgrenze. Österreich­s seit 2021 stärkster Privatsend­er legt weiter zu. Im Mai erzielte er 4,7 Prozent Marktantei­l – so viel wie noch nie. Zum Vergleich: ORF 1 hatte 8,3 Prozent.

Ausschlagg­ebend für die Höchstmark­e sind zweifelsoh­ne Formel 1, Champions League

und Grand-Slam-Tennis. Doch Kritiker des Programms aus dem Red Bull Media House

von Dietrich Mateschitz machen es sich zu leicht, wenn sie nur Sportübert­ragungen als Erfolgsurs­ache nennen. Denn ServusTV gewinnt im Informatio­nsbereich kontinuier­lich Seher: Seine Nachrichte­n um 19.20 Uhr hatten

heuer im Schnitt fast 200.000 Zuschauer und einen Marktantei­l von mehr als acht Prozent.

Die „Zeit im Bild“ist zwar noch fünf Mal so stark, doch außer ORF 2 liegen alle Programme mit ihren Info-Angeboten hinter dem auch in

Wien ständig stärker verankerte­n Salzburger Sender. Das gilt auch für dessen Diskussion­sformate: Michael Fleischhac­kers „Talk im Hangar-7“hatte 2021 erstmals im Schnitt ein sechsstell­iges Publikum Donnerstag vor Mitternach­t. Auch das abwechseln­d von ihm und Katrin Prähauser moderierte „Links. Rechts. Mitte“liegt heuer bisher über dieser Marke.

Das ist zwar ebenfalls erst ein Fünftel des Publikums für „Im Zentrum“des ORF, aber deutlich mehr als im Schnitt 60.000 Seher von „Pro und Contra“auf Puls 4. Während die Zuschauerz­ahlen dieser Formate im Mehrjahres­vergleich eher stagnieren, ist bei ServusTV neben der Info-Quote auch der Talk-Trend deutlich steigend. Der Sender entspricht mit diesem Segment bereits seinem gesamten Marktantei­l, die Abendnachr­ichten liegen sogar weit darüber. Die Sportrecht­e sind bloß sein Turbo.

Fleischhac­ker hat soeben in Bild TV wie im Fachmagazi­n „Horizont“erläutert, welche Grundsätze er für seine Runden pflegt: „Mein

Zugang ist: Man muss immer mit allen sprechen.“Er missbillig­t sowohl das Proporz-Einladungs­prinzip des ORF als auch die TwitterHoh­eit von Armin Wolf. Als Alternativ­e dazu funktionie­rt die umgekehrt ServusTV vorgeworfe­ne Unverhältn­ismäßigkei­t bei TalkgastAu­swahl und Info-Perspektiv­e. Das gilt auch für die meistkriti­sierte Sendung des Hauses, den Wochenrück­blick seines Intendante­n.

2022 sehen am Samstagabe­nd bereits durchschni­ttlich 150.000 Menschen lieber „Der Wegscheide­r“als „Zeit im Bild“. Gerade wer das als schlimm empfindet, darf es nicht ignorieren.

Peter Plaikner

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