Der wunderbare Waschsalon
Der vergangene Winter war bitterkalt in Bosnien. Temperaturen
jenseits der minus 20 Grad Celsius. Menschen, die in Sandalen durch die tief verschneite Wildnis Bosniens stapften, junge Männer, bloß mit T-Shirts bekleidet, vor dem Flüchtlingscamp Lipa auf ihre Essensration wartend, an den Straßenrändern. Zusammengekauerte Migranten, in Sommerkleidern – Aufnahmen vom Balkan, die im Winter 2021 via Medien in unsere wohltemperierten Wohnungen und Häuser strömten.
Bilder, die berührten. Bilder, dank derer das Land am Balkan bald darauf mit Spendengeldern und Hilfsgütern, wenn auch
nicht überflutet, so zumindest für gewisse Zeit zur Genüge versorgt wurde. Caritas, Care, Rotes Kreuz, SOS-Bihać, SOS-Balkanroute und wie sie alle heißen mögen: Die Maschinerie der Hilfsorganisationen war angeworfen, wie zumeist der Fall, wenn die Massenmedien ihren Fokus auf eine akute Katastrophe richten.
Im Februar 2021 dann in der Lagerhalle einer Hilfsorganisation: Mitarbeiter beim Ordnen der Spenden. Zelte, Schlafsäcke, Taschenlampen, Rucksäcke, Winterjacken, Skiunterwäsche, Winterschuhe, Pullover, Hosen – größtenteils brandneue Markenprodukte liegen da, strukturiert nach Kategorien und Größen, aufgestapelt bis an die Decke. Lebensmittel von Obst über Gebäck, Mehl, Nudeln, Käse bis hin zu Süßigkeiten und Chips werden zu handlichen Essenspaketen geschnürt. Wenige Wochen nachdem die Welt ihre Augen auf Bosnien gerichtet
hatte, hatten die Helfer der kleinen Stadt Bihać an der EU-Außengrenze jenes Problem, das unumstritten auch global als Wurzel der Armut gilt – nicht nur der Mangel an Gütern, sondern auch deren gerechte
Verteilung. Im Bezug auf die Flüchtlinge hieß das: Wie gelingt es, dass Neuankömmlinge möglichst rasch und unkompliziert Überlebensnotwendiges erhalten, und wie, dass kein Schindluder damit getrieben bzw. nicht fahrlässig damit umgegangen wird?
Ein hoher, vielleicht kaum zu bewältigender Anspruch war das. Fakt ist, dass schon ab Februar in fast allen „Dschungelcamps“
– wie illegale Lager in den Wäldern Bosniens genannt werden, die in Wahrheit Ausgangspunkte für Versuche, die Grenze zu überwinden, sind – Lebensmittel im Überfluss
vorhanden waren. Zelte voll, nicht nur mit Grundnahrungsmitteln, sondern auch mit Softdrinks, Naschereien und Knabberzeug. Und früher oder später schienen
nahezu die meisten Migranten in Bosnien immerzu in supermodischen und supersauberen Klamotten herumzulaufen.
„Wie geht das?“, lautete die offensichtliche Frage. „Schmutzige Kleidung werfe ich
weg, neue bekomme ich von den Hilfsorganisationen“, meinte ein junger Afghane nüchtern. Business as usual unter den Migranten. So weit, so nachvollziehbar – zumindest, wenn Waschmöglichkeiten fehlen. Gerüchten zufolge passierte aber über geraume Zeit im offiziellen Flüchtlingscamp Lipa das Gleiche – Schmutzwäsche wurde da im großen Stil systematisch entsorgt, anstatt gewaschen. Dementis von offizieller
Seite stehen Aussagen von Mitarbeitern des Camps, die allerdings anonym bleiben wollen, gegenüber. Konsens, weil offensichtlich, herrscht allerdings über den Umstand, dass in den Wäldern um Bihać, aber auch in der Stadt selbst massenhaft völlig intakte
weggeworfene Kleidung herumliegt, auch heute noch. Und dass illegale Lager regelmäßig von offizieller Seite aufgelöst, die Migranten ins Camp Lipa abtransportiert und alles Zurückgelassene dem Feuer übergeben wird. Das war auch konkret mehrmals zu beobachten.
Eine Absurdität in Micha Schmids Augen. „Abgesehen von der Verschwendung und der fehlenden Nachhaltigkeit, welches Bild
vermitteln wir den Migranten?“, sinniert der 50-jährige Deutsche und fährt sich mit
brennendem Zigarettenstummel in der Hand durch seine zerzausten Haare. Seit Sommer 2021 lebt der ehemalige Schulabbrecher, Totalverweigerer und Hausbesetzer zusammen mit seiner Partnerin Nicole aus Italien zeitweise auch in Bihać. Sie bewohnen ein bescheidenes Haus, einen rötlichen Ziegelbau, ohne Fassade, beim Balkon fehlt das Geländer. Sie sind hierhergezogen, um zu helfen.
Anfangs begleiten sie andere NGOs, reden mit Helfern, Politikern, Einheimischen, Migranten. Sie wollen sich ein eigenständiges Bild von der Lage verschaffen, suchen nach einem Hilfsansatz, der wirklich Sinn hat. Im Juli 2021 eröffnen sie dann einen
Waschsalon. In einen gebrauchten Container, den sie ausschlachten, lassen sie zwei Industriewaschmaschinen und einen Industrietrockner einbauen. 40 Kilo Schmutzwäsche können pro Waschgang gereinigt und getrocknet werden. In Zukunft sollen
Solarpaneele für Strom sorgen, Generatoren mittels Gas betrieben werden, Ziel ist es, völlig autark zu funktionieren. „Heute
braucht man uns in Bihać, morgen vielleicht woanders. Mobilität ist ein wichtiger Faktor für sinnvolles Helfen“, erklärt Micha.
Und Micha Schmid weiß, wovon er redet. Zu Coronazeiten wurden dank des gemeinnützigen Vereins Learn for Life, dessen Obmann-Stellvertreter er ist, in Indien rund 5000 Menschen täglich mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln versorgt.
Aktuell werden in der von ihm 2004 gegründeten Schule 168 Kinder verschiedenster sozialer Schichten unterrichtet und in seinen Bäckereien, eine in Delhi und eine in
Varanasi, beschäftigt er über hundert Menschen, die allesamt einen fairen Lohn erhalten und krankenversichert sind. Dieser Mix aus gemeinnützigem Verein, der Spendengelder aufstellt, und GmbHs, deren Gewinne fast zur Gänze wieder in die eigenen sozialen Projekte umgeleitet werden, schafft
nicht nur maximale Hilfe. Sondern anders als das bei den meisten NGOs der Fall ist, auch ein hervorragendes Standing in jenem Land, in dem man tätig ist. „Man schafft
Arbeitsplätze und zahlt Steuern. Politiker mögen das“, erklärt Micha. Ähnliches hat Micha nun auch in Bihać vor. Menschen
helfen, Jobs schaffen, Steuern zahlen. So überlegt er, in die Tourismusbranche einzusteigen und Trekkingtouren in den Bergen
Bosniens zu organisieren, mit Migranten als Guides. „Wer soll besser für so eine Tätigkeit geeignet sein als Menschen, die um die halbe Welt gelaufen sind und teils monatelang in den Bergen gelebt haben“, sagt er.
All das ist Zukunftsmusik, aktuell verlangt das Waschprojekt Michas gesamte
Aufmerksamkeit. Nach wie vor liegt tonnenweise Schmutzwäsche in den Bergen rund um Bihać herum. „Nicht mehr geschätzte 20 Tonnen, wie noch vor einem
Jahr, aber mit Sicherheit noch genügend, dass unser Waschsalon rund um die Uhr
laufen könnte“, sagt Micha. Kooperationen mit anderen NGOs sind deshalb am Laufen.
Auch wurde ein System, in dem Flüchtlinge ihre Schmutzwäsche abgeben können und dafür frisch gewaschene Kleidung retour erhalten, eingeführt. Tag für Tag gehen deshalb Mitarbeiter in die Berge und kehren mit vollen Säcken Schmutzwäsche zurück. Diese wird gewaschen, getrocknet und anschließend sortiert. In der Lagerhalle stapelt sich bereits die frisch gewaschene Wäsche. Man sorgt vor für den nächsten Winter, denn dieser kommt bestimmt.
Wider die Verschwendung. Etwa 20 Tonnen Kleidung liegen in den bosnischen Wäldern herum. Es sind Spenden, von Flüchtlingen weggeworfen. Micha Schmid tut etwas dagegen.
THOMAS BRUCKNER
Die USA feiern seit 1984
den Juli als ihren „National Ice Cream Month“, also den „nationalen Eiscreme-Monat“. Seinerzeit erklärte der damalige US-Präsident Ronald Reagan den jeweils dritten Sonntag im Juli zum nationalen Tag des Eises. Heuer ist der „National Ice Cream Day“am 17. Juli.
Welche Eissorte haben die österreichischen Eissalons zum Eis des Jahres
2022 gekürt?