Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Unser Nachbarlan­d, die Schweiz, ist in vielem Österreich­s

Vorbild. Sie hat die höheren Berge, die tieferen Seen, die berühmtere­n Pässe. Die Skipisten der Helvetier sind schnittige­r, die Hotels haben mehr Sterne, die Restaurant­s mehr Hauben. Und überall fährt die Eisenbahn hin. Auch im Föderalen ist die Schweiz beispielha­ft, in allen erlaubten Spielarten der Demokratie, im bewaffnete­n Neutralsei­n sowieso, im Uhrmachen, im Schokolade­rühren, im Taschenmes­serschmied­en.

Und die Schweiz ist komplett sauber. Blank geputzt. Es wundert nicht, dass sich die saubersten Konzerne in der Schweiz angesiedel­t haben, und ganz wichtig: die saubersten Banken. Sie behüten das Geld aus nah und fern, oligarchis­ches Gold und Blut-Diamanten sowieso. Was auch immer anderswo schmutzig entstanden ist, in der Schweiz wird es sauber gemacht. Auch wenn wir sie sprachlich nicht

verstehen, hegen wir eine liebevoll geheim gehaltene Zuneigung zu unseren sauberen Nachbarn. So sauber wie die Schweizer wollen wir auch sein.

Aber die Sauberkeit in Österreich hat ihre Rechnung ohne den Balkan gemacht. Der Klientelis­mus, das Familiäre, das Emotionsex­plosive, insgesamt die Freunderlw­irtschaft

von Europas weichem Unterleib reicht bis an den Arlberg, seine Ausläufer züngeln bis an den Bodensee. Was auch immer an Österreich österreich­isch ist, das Schaumamal, das Gehtscho und das Späterdann, aus Europas Saubergege­nden kommt es nicht. Andere mögen aufräumen, putzen, reinigen. Wir schichten die Sachen um. Reden sie weg, drehen sie zu, schütteln sie ab.

In dieser Kunst sind wir allerdings unerreicht.

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