„Die Schere geht auseinander“
Familie und Bildung. Wie wirkt sich der Bildungsgrad der Eltern auf das Familienleben aus?
Niedrig Gebildete sind häufiger alleinerziehend – so lautet eines der Ergebnisse des
vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts „Familien und
Ungleichheit: Trends in Bildungsunterschieden
im Familienverhalten“. Soziologin Caroline Berghammer (Institut für Soziologie der Universität Wien, Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) hat sich mit einem internationalen Team zusammengetan, um die von Land zu Land jeweils unterschiedliche Lage zu untersuchen.
Die Auswirkungen zeigen sich vielfältig
Generell gilt gute Bildung oft als wesentliche Grundlage für finanziellen Erfolg, Wohlstand und berufliche Selbstverwirklichung. Der Bildungsgrad hat zudem prägenden Einfluss auf das soziale Verhalten einer Person. Laut Analyse bringt es vielfältige Auswirkungen mit sich, wie lange Schulbänke gedrückt und Universitätsseminare besucht
wurden. Vor allem in Bezug darauf, wie das Beziehungs- und Familienleben sowie die Interaktion mit den Kindern gestaltet wird. Und im Umkehrschluss wirkt sich das Verhalten der Eltern natürlich auch auf die Zukunftschancen des Nachwuchses aus.
Bisher war die Frage, wie sich der Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Familienleben auf lange Sicht entwickelt und
welche Länderunterschiede es gibt, noch nicht erforscht worden. Frühere Studien belegen allerdings bereits, dass Menschen mit höherer Bildung eher zu Familienverhalten neigen, das ihren Ressourcen zuträglich ist. Das gilt für die wirtschaftlichen Interessen ebenso wie für die sozialen Bedürfnisse. Meist werden höher gebildete Personen erst später Eltern und räumen der Zeit mit den Kindern einen höheren Stellenwert ein. Mütter sind in dem Fall auch eher erwerbstätig.
Im Gegenzug neigen niedriger Gebildete laut Studie eher dazu, uneheliche Verbindungen einzugehen, bzw. kommt es hier öfter zu Trennungen. „In den USA ist dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt“, erklärt Caroline Berghammer. „Dort sehen wir, dass die Schere zwischen höher und niedriger Gebildeten in Bezug auf ihr Familienverhalten in den letzten Jahrzehnten weiter
auseinandergegangen ist. Niedrig Gebildete sind dort beispielsweise sehr häufig alleinerziehend.“
Auch in Europa ist dieses Muster anzutreffen. Untersucht hat das Team rund um die Soziologin die Zusammenhänge zwischen Bildung und Familienleben in acht Ländern und über mehrere Jahrzehnte. Genauer: „In Österreich, Italien, Irland, Großbritannien, Polen, Frankreich, Deutschland und Norwegen“, so Berghammer.
Beziehungsverhalten und Familienleben
Ein Trend, der die gesellschaftlichen Entwicklungen in Sachen Geschlechterrollen in Europa wiedergibt, betrifft alleinerziehende Frauen und ihren Bildungshintergrund: „In den 1970er-Jahren sehen wir einen positiven Bildungsgradienten bei Alleinerziehenden“,
berichtet die Soziologin. „Ein Kind allein aufzuziehen war damals ein neues Familienverhalten, mit dem man sich gegen landläufige Normen durchsetzen musste und das einen hohen Ressourcenaufwand bedeutet
hat. Diesen Weg gingen damals eher höher
Gebildete.“Das hat sich im Laufe der Jahre
jedoch gewandelt: „In den 1980er-Jahren hat sich der Trend umgedreht. Immer mehr
niedrig Gebildete wurden zu Alleinerziehenden.“Einzig Norwegen stellt hier eine Ausnahme dar: Dort waren es auch früher schon die niedrig Gebildeten, die eher alleinerziehend waren. Daran hat sich bis heute nichts geändert. In den USA, Großbritannien und Irland sind ebenfalls weniger gut ausgebildete Frauen alleinerziehend. Kaum Bildungsunterschiede bei Alleinerziehenden gibt es in Italien und Österreich. „In Großbritannien, Irland und Polen sind sehr hohe Anteile schon ab der Geburt des Kindes alleinerziehend, wobei auch die Zahl von Teenager-Mutterschaften eine Rolle spielt. In Österreich sind diese Phänomene weniger stark ausgeprägt“, sagt Berghammer.
Bei der Frage, ob die jeweiligen Elternteile genügend Zeit mit dem Nachwuchs verbringen, lässt sich festhalten: Höher Gebildete setzen sich höhere Anforderungen. „Ihre Ideale und Verhaltensnormen zeigen eine
Kindererziehung, die viel intensiver und ressourcenaufwendiger ist als früher“, erklärt
Berghammer. „Dazu passt, dass die höher Gebildeten auch öfter sagen, dass sie zu
wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen – selbst wenn es ebenso viel ist wie bei den
niedriger gebildeten Vergleichspersonen.“
Auffallend ist, dass sich höher Gebildete höhere Anforderungen bei der Kindererziehung setzen.
Caroline Berghammer, Soziologin