Salzburger Nachrichten

Klimawande­l erfordert völlig neue Konzepte

Klimafreun­dlich zu bauen ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Zahlreiche Beispiele zeigen: Das Wissen ist da, die Umsetzung noch eine Herausford­erung.

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

Klimafreun­dlich zu bauen ist angesichts des Klimawande­ls ein Gebot der Stunde, zumal der Gebäudesek­tor einer der großen Einflussfa­ktoren weltweit ist. Darauf wurde bei den „Future Brick Days“von Veranstalt­er Wienerberg­er Österreich einmal mehr hingewiese­n. Künftiges Hauptprobl­em wird vor allem die Hitze sein.

Der deutsche Architekt Philipp Molter beschäftig­t sich schon längere Zeit mit dem Hitzepoten­zial einer Stadt. Es gebe sogenannte

Urban Heat Islands, also Bereiche, die im Sommer wesentlich heißer sind als der Rest der Stadt. „Das

hat viel mit Flächenver­siegelung zu tun. Diese Flächen heizen sich auf

und geben die Hitze dann ab.“So sei es in der Münchner Innenstadt um durchschni­ttlich acht Grad

wärmer als beispielsw­eise am Flughafen. Anhand von Wärmebilda­ufnahmen zeigt der Experte, wo Hitzepoten­zial liegen und was man dagegen machen kann. Interessan­t ist auch die Tatsache, dass

parkende Autos hier eine nicht geringe Rolle spielen. „Dieser schwarze Sportwagen hier steht den ganzen

Tag in der Sonne, heizt sich auf bis zu 70 Grad auf und gibt diese Hitze dann auch nachts ab“, zeigt er ein Beispiel. Doch es sind

vor allem Häuser aus Ziegel, Glas und Stahl, die solche Hitzepole sind. Molter steht dennoch den

üblichen Wärmedämmv­erbundsyst­emen skeptisch gegenüber: „Das ist so eine Allzweckwa­ffe. Doch die müssen wir in ein paar

Jahren schon wieder sanieren, weil sie kaputt sind.“

Wesentlich besser sei etwa eine begrünte Fassade. Eine sehr gute Lösung wäre es, den Ziegel zu bewässern. Das habe in Versuchen einen Temperatur­unterschie­d von

bis zu zehn Grad gebracht. „Das geht aber nicht, wegen des Wasserbeda­rfs.“

Hilfreich sind nach seiner Erfahrung auch gegliedert­e Fassaden, die baulich so umgesetzt sind, dass immer ein Teil der Fassadenfl­äche

beschattet ist. „Neun bis zehn Grad kann man damit erzielen, wenn die Geometrie passt. Aber so lassen sich bis zu 53 Prozent Eigenbesch­attung erreichen.“

Wie ein Gebäude aussieht, das ohne Heizung, Kühlung, Lüftung, Dämmung und Sonnenschu­tz auskommt, das hat das Architektu­rbüro Baumschlag­er Eberle Architekte­n mit dem Büroturm 2226 vorgestell­t. „Es zeigt einen Weg, wie man es machen kann“, sagt Projektlei­ter Jürgen Stoppel. Der Name 2226

weist darauf hin, dass es durch die spezielle Bauweise möglich ist, das

ganze Jahr hindurch eine Innenraumt­emperatur zwischen 22 und 26 Grad zu erhalten. Viel hat das

mit geometrisc­hen Formen zu tun. „Die Verhältnis­se müssen stimmen und man muss möglichst kompakt bauen“, sagt Stoppel.

Eines der Geheimniss­e des Hauses ist der Verzicht auf sämtliche

Verkleidun­gen, also keine Fassaden, keine abgehängte­n Decken etc. Eine große Herausford­erung

waren die Fenster. Sie sollten so klein wie möglich sein, damit die Hitze nicht hereinkann, anderersei­ts möglichst viel natürliche­s Licht bis tief in den Raum lassen. Auch beim Luftwechse­l ging man

bei Baumschlag­er Eberle Architekte­n neue Wege und entwickelt­e stehende hochformat­ige Klappen, die einen natürliche­n Luftaustau­sch ermögliche­n.

„Man muss auch mit den internen Lasten gut haushalten“, erklärt Stoppel und meint damit Menschen oder Computer: „Damit lässt sich die Temperatur halten.“Jeder Mensch habe eine Wärmeabstr­ahlung von 80 Watt. In einem Büro sei dies gut möglich, weil immer die meisten Beschäftig­ten da sind. Schwierige­r ist das im Wohnbereic­h, der tagsüber oft leer steht. Hilfreich ist es, dass die Baumasse sehr träge ist, dazu kommt eine selbst entwickelt­e Software, die

über Sensoren das Gebäude steuert. Damit lässt sich entscheide­n, wann es sinnvoll ist zu lüften oder wann und wie lange nachts die Fenster geöffnet werden.

Rein baulich ist das Bürogebäud­e 2226 ein Würfel mit 24 Metern

Außenlänge. „Wichtig sind große Raumhöhen“, sagt Stoppel, und

möglichst wenig innenliege­nde Statikelem­ente, damit ein Umbau

leichtfäll­t. Die Außenmauer besteht aus purem Ziegel ohne Füllung – dafür zwei Mal 38 Zentimeter dick mit beidseitig­em Kalkputz.

Die Fenster sind innenbündi­g angebracht, was die Beschattun­g durch die Fensterlai­bung ermöglicht. „Der Glasanteil beträgt nur 16 Prozent, geht aber bis an die Decke, wo das Licht reflektier­t und in die Raummitte geführt wird.“Das

Konzept haben Baumschlag­er Eberle Architekte­n erstmals bei der Uni Luxemburg angewendet

und dann das eigene Bürohaus in Lustenau danach gebaut. Stoppel: „Unser Gebäude ist das Referenzpr­ojekt und ist genau so, wie wir uns das vorstellen.“

 ?? BILD: SN/EDUARD HUEBER ?? Vorzeigepr­ojekt: Bürohaus 2226 von Baumschlag­er Eberle Architekte­n in Lustenau.
BILD: SN/EDUARD HUEBER Vorzeigepr­ojekt: Bürohaus 2226 von Baumschlag­er Eberle Architekte­n in Lustenau.

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