Bastion Eine der Unbestechlichkeit
Seit jeher garantiert der Rechnungshof, dass unabhängig und überparteiisch geprüft wird. Nun steht die ÖVP im Visier. Damit hat sie nicht gerechnet.
WIEN. Wenn es bisher für die ÖVP aufgrund dubioser Geldflüsse, intransparenter Parteikassen und Korruptionsvorwürfen eng wurde,
lautete die Verteidigung meist, dass man bloß ein Opfer roter Netzwerke sei. Bei der jüngsten Aufregung um die Parteifinanzen dürfte dieser
Vorwurf ins Leere gehen. Denn die ÖVP wird nun von einer Einrichtung ins Visier genommen, die
nicht im Verdacht steht, parteipolitisch motiviert zu handeln: dem Rechnungshof (RH).
Seit zwei Jahren liefern sich die Prüfinstitution und die ÖVP einen Schlagabtausch um den Rechenschaftsbericht aus dem Wahljahr 2019, also jenem Zeitraum, als Kanzler Karl Nehammer ÖVP-Generalsekretär war. Nach zahlreichen Unklarheiten wegen fragwürdiger Geldflüsse und Verzögerungen beim türkisen Kassensturz
platzte den Prüfern zuletzt der Kragen. Sie schicken nun erstmals einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer in die ÖVP-Parteizentrale, da sie den Angaben der Kanzlerpartei nicht trauen. Zudem gibt es Anzeigen des Rechnungshofs beim Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat aufgrund mutmaßlicher ÖVPVergehen gegen das Parteiengesetz. Die generell eher zurückhaltend auftretende Institution steht plötzlich im Rampenlicht und mit ihr auch RH-Präsidentin Margit Kraker
– die bei ihrer Bestellung 2016 die Wunschkandidatin der ÖVP war.
Kraker, die erste Frau an der Spitze des Rechnungshofs, reiht sich damit nahtlos ein in die Tradition der Prüfinstitution: Unabhängig davon, welche Partei die RH-Spitze nominiert hat, agiert sie völlig überparteilich. Das war bei dem von der ÖVP nominierten Franz Fiedler so,
das war bei FPÖ-Mann Josef Moser so – das war auch bei all ihren Vorgängern so; auch wenn die Wahl stets das Odium des Postenschachers begleitete und oft mit harten
Bandagen ausgefochten wurde. Wie
auch bei Krakers Bestellung vor sechs Jahren: Die ÖVP und Reinhold Lopatka, der als mit allen Wassern
gewaschener Klubchef damals die Fäden zog, stellten die SPÖ mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen: Entweder der rote Koalitionspartner stimmt für Kraker oder die ÖVP macht mit der FPÖ gemeinsame Sache und kürt eine andere Kandidatin, die die SPÖ – Parteichef
und Kanzler war damals Christian Kern – partout nicht wollte.
Die Taktik ging auf. Das politische Ränkespiel hatte Kraker, die als schwarze Parteigängerin punziert war, allerdings schon beschädigt,
bevor sie im Amt war – wenn auch nicht nachhaltig. Denn in den Jahren bisher machte der Rechnungshof unter Kraker wie schon bisher seinen Job: ruhig, gelassen, aber dafür umso nachdrücklicher. Und das
macht nun gerade der Partei, der Kraker selbst entstammt, das Leben besonders schwer.
Die Steirerin war 2016 als Präsidentin des steirischen Landes-RH ins Rennen gegangen. Sie war zwar
kein ÖVP-Mitglied, aber zuvor 13
Jahre lang Bürochefin des späteren
und nunmehr zurückgetretenen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer. An der fachlichen Qualifikation der studierten Juristin
hatten freilich weder vor noch nach dem öffentlichen Hearing 2016
Zweifel bestanden: Ihre Präsentation war solide, ihr Auftritt souverän,
wenn auch mehr trocken als glamourös. Glamour ist in ihrem Job aber ohnehin nicht gefragt: Der
Rechnungshof prüft die finanzielle Gebarung der öffentlichen Hand, der Parteien und von Unternehmen, die zu mehr als 50 Prozent im Staatseigentum stehen. Und da zählen nur Zahlen und Fakten. Punkt.
Im Interview mit dem Ö1-„Mittagsjournal“meinte die Rechnungshofpräsidentin in ihrer für sie typisch zurückhaltenden Art, dass es auch für den RH ein „ungewöhnlicher Schritt“sei, der ÖVP nun einen externen Wirtschaftsprüfer zu schicken.
Alle Stellen hätten Kooperation zugesagt. Kraker betonte auch, der RH werde sich die Vergabe der Coronahilfen an die Vereine des ÖVP-Seniorenbunds näher anschauen. Der Rechnungshof ist – anders als die ÖVP – der Ansicht, dass diese Vereine sehr wohl der Volkspartei zuzurechnen sind.
Wenn sich Probleme auftun, dann sollte man sie sich anschauen
und die richtigen Schlüsse daraus ziehen, sagt Kraker. Dieser pragmatische Ansatz ist davon getrieben, dass sich die Parteien um die tatsächlichen Aufgaben kümmern sollten. Im Interview mit den SN kurz vor Pandemieausbruch formulierte sie es so: „Wenn man das Thema Transparenz einmal auf ordentliche Beine gestellt hat, dann kann sich die Regierung auch wieder mit Zukunftsfragen beschäftigen.
Transparenz ist immerhin die Grundlage unserer Demokratie.“Und: „Die stärkste Sanktionsmöglichkeit des RH ist die Öffentlichkeit. Allein die Möglichkeit der Prüfung kann eine Wirkung haben.“Man wird sehen.
Kraker: solide, souverän und ohne Schnörkel