Mit Weintrinken die Energiewende ankurbeln
Zahlreiche Winzer bauen neue Photovoltaikanlagen und holen sich das Geld für die Investition von ihren Kunden. Für beide Seiten ist es letztlich eine Win-win-Situation.
KREMS, EISENSTADT. Das Weingut
Sepp Moser aus Rohrendorf im niederösterreichischen Kremstal hat sich zum Ziel gesetzt, energieautark zu werden. Vor sieben Jahren wurde
bereits eine erste kleine Photovoltaikanlage gebaut, jetzt ist eine größere mit bis zu 30 Kilowattstunden
Leistung geplant. Das entspricht dem durchschnittlichen Stromverbrauch von sechs Privathaushalten im Jahr. Investition: 30.000 Euro.
Nachhaltige Sonnenenergie biete sich wegen der großen Dachflächen an, sagt Winzer Niki Moser. Umweltfreundliche Sonnenenergie passt zudem sehr gut zur Philosophie des Familienweinguts, das seit
Anfang der 2000er-Jahre biodynamisch wirtschaftet und Demeterzertifiziert ist. Ein Teil des Geldes für die neue Anlage kommt von
Weinkonsumenten, denn Moser hat sich für eine gemeinschaftliche Finanzierung durch private Geldgeber (Crowdfunding) entschieden.
„Das ist eine Win-win-Situation. Ich kann das Projekt ohne Kredit finanzieren und die Kunden kriegen im Gegenzug relativ günstig guten
Wein“, erzählt Niki Moser. Die Teilnehmer erhalten Weinpakete mit
bis zu 20 Prozent Rabatt zum Privatkundenpreis. Das Modell hat noch einen Vorteil: Winzer können auf diese Weise neue Kundenschichten gewinnen. Rund die Hälfte der insgesamt 74 Unterstützer waren bislang nicht in Mosers Kundendatei. „Sie trinken gern biologischen Wein
und nachhaltige Energie ist für sie ein gewichtiges Argument“, betont Niki Moser. Die Coronapandemie mit dem Ausfall der Gastronomie
habe gezeigt, wie wichtig es sei, auf mehreren Standbeinen zu stehen.
„Wir setzen in der Vermarktung
nicht nur auf ein Pferd, sondern auf eine Strategie der kleinen Schritte.“
Die Familie Moser bewirtschaftet insgesamt 51 Hektar Rebflächen – 24 Hektar (vorwiegend Weißwein) im Kremstal und 27 Hektar (vorwiegend Rotwein) in Apetlon. 65 Prozent der Weine gehen in den Export.
Während der Verkauf ins Ausland wieder sehr gut laufe, seien die heimischen Winzer nach Corona beim Einkauf noch etwas verhalten.
Moser ist nur einer von vielen Weinbaubetrieben, die auf Eigenversorgung durch Sonnenenergie setzen. Darunter die Weingüter Regele, Scheucher und Frühwirt (alle Steiermark), Scheiblhofer, Hannes Reeh und Allacher (alle Burgenland), Heinzl, Wimmer-Czerny und Michael Auer (alle Niederösterreich) – um nur einige zu nennen.
Die steirischen Winzer gehörten bereits vor 15 Jahren zu den Pionieren in diesem Bereich, erzählt Werner Luttenberger, Geschäftsführer des Weinbauverbands Steiermark. „Fortschrittliche Betriebe verwenden
diese Technologie. Es ist eine
große Ersparnis, wenn man die Energie selbst produzieren kann.“
Laut Luttenberger befinden sich viele Weingüter in exponierten Lagen, Energieautarkie sei daher umso wichtiger – abgesehen von der steigenden Gefahr von Blackouts.
Speziell während der Lese und für die Kühlung im Weinkeller werde sehr viel Energie benötigt. „Wenn
SN-THEMA Nachgefragt
die Sonne am intensivsten scheint,
brauchen wir die meiste Kühlleistung“, so Luttenberger. Die Konsumenten hätten die Erwartung, dass der Wein optimal und gleichmäßig gekühlt gelagert werde.
Auch der burgenländische Weinbaupräsident Andreas Liegenfeld bestätigt, dass es bei einem Neubau zum Stand der Technik gehört, Photovoltaikanlagen auf Dächern einzubauen. Er schätzt, dass schon 70
bis 80 Prozent der größeren Betrie
be auf Sonnenenergie setzen. Photovoltaik (PV) rechne sich jedenfalls und sei auch für das Image von Bedeutung. Denn eine Zertifizierung gebe Aufschluss,
wie sehr ein Betrieb im Sinne der Nachhaltigkeit agiere.
Liegenfeld selbst geht noch einen Schritt weiter: In einem gemeinsamen Pilotprojekt mit der Energie Burgenland errichtete der Winzer im Oktober 2021 in einem Weingarten in Donnerskirchen eine hochaufgeständerte Photovoltaikanlage. Halbtransparente PV-Paneele sollen die Reben vor Hagel, mit PVStrom betriebene Heizdrähte die Reben vor Frost schützen. Die Technische Universität Wien und das Bundesamt für Weinbau
werden das Projekt wissenschaftlich begleiten.
„Ob die Trauben unter den PVPaneelen reifen, muss man erst
beobachten. Auch, ob die Beschattung ein Vor- oder Nachteil ist. Es gibt dazu noch keine Literatur“, erklärt Liegenfeld.