Wundersame Kräfte der Musik
Eine Studie aus Australien beweist, dass Singen, Spielen und Musikhören das Wohlbefinden und die Lebensqualität verbessern. Ähnlich aufbauend wirkt ansonsten nur Sport.
SYDNEY. Schon Johann Wolfgang
von Goethe soll gesagt haben, dass man „alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen
und (...) einige vernünftige Worte sprechen“sollte. Vor allem Musik zu hören oder selbst zu machen verbessert die psychische Gesundheit signifikant und steigert damit Wohlbefinden und Lebensqualität.
Was viele Musikliebhaber jeden Tag am eigenen Leib erleben, hat eine neue Analyse nun auch empirisch bestätigen können. Die Autoren der Erhebung, die im Fachmagazin „Journal of the American Medical Association Network Open“publiziert wurde, untersuchten dafür 26 Studien aus verschiedenen Ländern, darunter Australien, Großbritannien und die USA. Sieben davon
befassten sich mit Musiktherapie, zehn untersuchten die Wirkung des Musikhörens, acht analysierten das Singen und eine beschäftigte sich
mit der Wirkung von Gospelmusik. Die Effekte waren dabei ähnlich, egal ob die Teilnehmenden sangen, selbst Musik machten oder Musik
hörten.
Musik bringt auch positive soziale Effekte
Mit der Studie habe man erstmals quantitativ nachweisen können, dass Musikinterventionen mit „klinisch signifikanten“Verbesserungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität verbunden seien, sagt Matt McCrary, Hauptautor der Studie, von der University of New South Wales in Sydney. „Das bedeutet, dass sich die wiederholte Auseinandersetzung mit Musik – also Musik hören, ein Instrument spielen oder singen – spürbar positiv auf unsere Gesundheit auswirkt.“
Die Analyse ermöglichte es dem Team von McCrary zudem, einen quantitativen Vergleich mit anderen Aktivitäten zu ziehen. Dabei
kam heraus, dass die Effekte der Musik in etwa halb so viele positive
Wirkungen hatten wie Bewegung und Sport. Sie stehen mit den positiven Effekten, die eine Gewichtsabnahme auf die Lebensqualität
hat, auf einer Stufe. Problematisch ist dabei jedoch, dass Musik sehr unterschiedlich auf Menschen
wirkt, wie die Forschenden feststellten. Deswegen sei es schwierig zu bestimmen, wie man jemandem
Musik quasi als „Medizin“verschreiben müsste, um die maximalen gesundheitlichen Vorteile für jemanden herauszuholen.
Obwohl man Musik bisher nicht wie Tabletten dosieren kann, so lässt sich durchaus nachweisen, dass die regelmäßige Beschäftigung mit Musik spürbare Vorteile für die psychische Gesundheit bringt.
Auch im sozialen Umgang miteinander lassen sich positive Effekte ablesen. Außerdem verspüren Menschen, die Musik hören oder machen, oft ein höheres Level an Energie und fühlen sich vitaler.
Kim Cunio, ein Musikwissenschafter an der australischen Nationaluniversität in Canberra, der nicht an der Studie beteiligt war, bestätigt aus seiner eigenen Erfahrung Ähnliches. „Wenn ich das Gefühl habe, dass die Dinge ein
bisschen schwierig sind, wende ich mich wie viele andere auch der Musik zu“, berichtete er dem „Guardian“. „Manchmal ist die Musik ein bewusstes Echo meiner Gefühle – düster und traurig.“Manchmal brauche er aber auch Musik, die ein ganz anderes Gefühl vermittle und ihn „aus
diesem Raum“wieder herausreißen könne. „Das ist das wahre
Wunder der Musik“, sagte er. Es gebe keine Regel dafür, was man am ehesten hören solle. „Man muss einfach seinem Herzen folgen.“
Forschung steckt noch in den Kinderschuhen
Die Forschenden der University of New South Wales gehen
noch weiter: „Wir glauben, dass die Wirkung von Musik sogar
noch tiefgreifender sein kann“, sagt McCrary. Er vermutet, dass Musik sogar das Risiko für nicht
übertragbare Krankheiten wie Herzkrankheiten und Krebs verringern kann. Sport beziehungsweise Bewegung verhindert jährlich rund 1,6 Millionen Todesfälle. Nachdem Musik laut der Forschenden etwa halb so viele positive Effekte wie Sport hat, könnte
man davon ausgehen, dass rund 800.000 Todesfälle auf diese
Weise vermieden werden. „Wenn wir herausfinden können, wie wir die Wirkung von Musik zielgerichtet nutzen, dann
könnte das Potenzial enorm sein“, meinte der Wissenschafter. Die Forschung dazu befindet sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium.
Der Hauptautor Matt McCrary ist selbst ehemaliger professioneller Schlagzeuger und Percussionist. „Ich glaube definitiv an
die Kraft der Musik“, sagt er. Die Musik habe nicht nur sein eigenes Leben verbessert, er habe damit auch das Leben anderer Menschen positiv beeinflussen können, resümiert er.
Nicht umsonst hat schon Johann Sebastian Bach einst gesagt: „Bei einer andächtigen Musik ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart.“