Wilderer machen Jagd auf Greifvögel
In Bayern wurde eine Serie von Giftanschlägen auf Greifvögel registriert. Die Täter können fast nie überführt werden, beklagen Vogelschützer.
MÜNCHEN. Sie werden Opfer von Tierhaltern, von Tierhassern und
gelegentlich auch von Jägern: Die acht toten Greifvögel, die zuletzt im
bayerischen Landkreis Coburg verendeten, sind die jüngsten Fälle einer anhaltenden Serie von Giftanschlägen. Wie 2021 blieben die Todesfälle bei Vögeln, die von vergifteten Ködern fraßen, hoch, heißt es
vom Landesbund für Vogelschutz Bayern (LBV) in Hilpoltstein. In Österreich wurde Anfang Mai der Kaiseradler Artemisia von Unbekannten abgeschossen.
Rund 60 tote Greifvögel wurden dem Verband in diesem Jahr bereits
gemeldet – vor allem Rotmilane, Mäusebussarde und Habichte. In
rund 15 Fällen bestätigten Experten: Die Tiere wurden vergiftet. „Es gibt
keinen Landkreis, wo nichts gewesen ist“, sagt Andreas von Lindeiner, Fachbeauftragter des LBV für Naturschutz. Der Verband sammelt Fälle gemeinsam mit der GregorLouisoder-Umweltstiftung im Projekt „Tatort Natur“.
In den vergangenen Wochen verendeten nach Angaben des LBV im Landkreis Coburg sechs Rohrweihen, eine Rabenkrähe und ein Rotmilan. Außerdem seien dem Verband zwei tote Hühner gemeldet worden, die vermutlich als Köder
benutzt wurden. Die Greifvögel hätten von den Hühnern gefressen, die
mit dem in der EU verbotenen Pflanzenschutzmittel E605 vergiftet waren. „Meine Einschätzung ist, dass ein Hühnerhalter aus der Region mit den präparierten Hennen einen Fuchs loswerden wollte“, so der LBV-Kreisgruppenvorsitzende Frank Reißenweber.
Der Verband hat Strafanzeige erstattet. Doch der oder die Täter werden
wahrscheinlich davonkommen. Die Aufklärungsquote tendiere gegen null, sagt von Lindeiner. Wilderer legten die Giftköder – etwa Kadaver, Fleischabfälle oder Eier –
nicht auf ihrem eigenen Grundstück ab, eine Zuordnung sei schier unmöglich. Der Verband hat vor allem Haustier- und Geflügelhalter im Verdacht, die ihre eigenen Tiere
vor den Greifvögeln schützen wollen. Auch Tierhasser kämen in Betracht, in seltenen Fällen auch Jäger.
Meist komme das hochpotente Gift Carbofuran zum Einsatz, das in Europa ebenfalls verboten ist. Es
bleibt auch nach dem Tod des Tiers gefährlich – nicht nur für Aasfresser, sondern auch für Menschen
oder etwa Hunde, die mit dem
Kadaver in Kontakt kommen.
Im vergangenen Jahr hatte der LBV bayernweit 127 tote Greifvögel
registriert, von denen laut Untersuchungen 47 vergiftet worden waren
– ein Höchstwert, der in diesem Jahr allerdings übertroffen werden
könnte. Eine besondere Häufung registriert der Verband schon seit einiger Zeit in Niederbayern. Dort
hat die Polizei 2021 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Tötungen gezielt nachgeht. Im Februar
hatten Einsatzkräfte große Gebiete mit Drohnen und Giftspürhunden durchsucht, um Köder rechtzeitig zu entdecken. Seitdem wurde der Polizei in Niederbayern nach eigenen Angaben kein neuer Fall toter Greifvögel gemeldet.