Alarm beim DFB-Team: Es fehlt an Mut und Überzeugung
Im deutschen Fußball-Nationalteam klappt wenig. – Von Bundestrainer Hansi Flick gab es auch harte Kritik.
BUDAPEST. Hansi Flick redete nicht
lange um den heißen Brei herum. Er machte sich an die Arbeit. Nach seiner unmissverständlichen Rückschritt-Warnung bat der Bundestrainer schon am Sonntag in Budapest zu Training, aktiver Erholung und vor allem ganz viel kritischer
Analyse. Aus dem Allesgewinner Flick droht zum Ende der ersten Saison als DFB-Chefcoach der SieglosHansi zu werden. Das Momentum
hat sich mit dem 1:1 in Ungarn am Samstag, dem vierten Remis in Serie, endgültig gedreht. Und schlimmer noch: Die großen WM-Ziele scheinen fünf Monate vor dem Turnier-Anpfiff in Katar nur ein Wunschtraum zu sein.
Gegen Italien geht es am Dienstag in Mönchengladbach um die Grundstimmung rund um die Fußball-Nationalmannschaft. Dolce Vita in der Sommerpause oder Zweifel
und Skepsis? Nicht umsonst will Torhüter Manuel Neuer im zweiten Nations-League-Duell mit dem Europameister innerhalb von zehn Tagen unbedingt noch „eine Rakete zünden“. Nur der Kapitän und Torwart genügt derzeit dem deutschen
Weltklasse-Anspruch. „Vom Ergebnis her und von der Art und Weise, wie wir das Spiel angegangen sind, war es für uns ein Rückschritt“, sagte Flick. Die Worte waren eindeutig, aber auch angemessen. Beunruhigender als das Resultat war die lasche Spielweise der DFB-Elf gegen einen Gegner, der sich auf Laufen und Kämpfen beschränkte.
„Wir haben einfach ohne Überzeugung aufgebaut, waren zu schleppend im Spielaufbau. Wir haben es dem Gegner relativ einfach gemacht, kompakt zu stehen“, kritisierte Flick schonungslos. Aber warum? War es nur die viel beklagte
Müdigkeit zum Saisonende, die Fixgrößen wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Kai Havertz die
Leichtigkeit nimmt? Oder fehlt es doch noch grundsätzlich an Klasse
und Konstanz? Flick wollte sich da nicht öffentlich festlegen.
Im allseits bekannten Spiel zwischen gutem und bösem Cop waren die Rollen zwischen Flick und DFBDirektor Oliver Bierhoff klar verteilt. Flick mahnte und forderte, Bierhoff beschwichtigte. „Letztendlich sehe ich das Ganze trotzdem
positiv. Wir haben kein Spiel verloren. Wir haben uns mehr vorgenommen, aber müssen gegen Italien jetzt natürlich zu Hause den nächsten Schritt machen“, sagte der ziemlich sanfte Bierhoff.
Jetzt schon WM-Gefahr? Nein! Meint Bierhoff. „Unabhängig davon, wie die Ergebnisse sind, wissen wir natürlich, dass wir immer noch im September noch einmal Zeit haben zu arbeiten und dann der richtige Druck – egal, wie wir dahin gehen – in Katar steigen wird“, sagte der DFB-Direktor.
Flick fand Negativpunkte in allen Mannschaftsteilen abseits des starken Neuer. „Es ist meistens so,
wenn ein Torwart herausragend ist, dann stimmt ein bisschen was im Spiel nicht“, sagte der Bundestrainer. Der Abwehr fehlte es ohne den
geschonten Chef Antonio Rüdiger an Stabilität. „Klar muss man auch sagen, dass wir in der Defensive schon das eine oder andere zugelassen haben, was einfach nicht sein darf“, monierte Flick. Der Offensive
fehlte es an Dynamik und Entschlossenheit. Es sei auffällig, „dass
bei uns komplett in der gesamten Mannschaft die Überzeugung fehlt“, verteilte Flick einen Kollektiv-Tadel.