Was alles möglich ist
Kaum jemand hätte es für möglich gehalten, dass ein
größenwahnsinniger Diktator im Europa des 21. Jahrhunderts einen brutalen
Angriffskrieg beginnt. Am wenigsten jene naiven Zeitgenossen, die sich auch nach der völkerrechtswidrigen Okkupation der Krim als Putin-Versteher, als Brückenbauer in Szene zu setzen verstanden. Ein Blick in die Geschichte des 20. Jahrhunderts hätte genügt, um zu sehen, wohin eine Politik des Beschwichtigens, des „Appeasement“führen
kann. Möglich ist inzwischen auch, dass die Europäische Union als das große Friedens- und Wohlstandsprojekt von innen
her durch halbautoritäre, illiberale und europafeindliche Kräfte bedroht und gefährdet wird. Unter Ausnutzung des Einstimmigkeitsprinzips tanzt etwa PutinFreund Viktor Orbán einer
weitgehend hilflosen Union auf der Nase herum. Wie
überhaupt das Modell einer freiheitlich-demokratischen
Werteordnung (Rechtsstaatlichkeit, Gewaltentrennung, Meinungs- und Medienfreiheit) global gesehen immer mehr in die Defensive gerät.
Was noch alles möglich ist: Die westliche Führungs
macht USA befindet sich in einer Art Geiselhaft radikaler Waffennarren und Abtreibungsgegner. Egal, wie viele Massaker es noch geben wird, strengere Waffengesetze bleiben eine Illusion. Eine andere Supermacht, China, hat sich zu einem totalen Überwachungsstaat mit brutaler Unterdrückung missliebiger Minderheiten entwickelt.
In diesem monströs-globalen Umfeld nehmen sich die heimischen Politbräuche (Korruption, Postenschacher, Freunderlwirtschaft) direkt
putzig aus, wiewohl auch hier so manche machtgeilen Spielchen früher nicht für möglich
gehalten worden wären. Wie auch immer, die Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Dabei ist mit der Klimakatastrophe die weitaus bedrohlichste Entwicklung bei Politik und Öffentlichkeit noch immer
nicht in ihrer ganzen Tragweite angekommen. Ist es möglich, aus dieser fatalen Gemengelage auch positive Tendenzen herauszufiltern? Hoffnung und Zuversicht dürfen nicht ganz verschwinden. Erhard Sandner, 5081 Anif