Salzburger Nachrichten

Öko-Siegel für Atomkraft wackelt

Ein Einspruch des EU-Parlaments könnte das Vorhaben noch stoppen.

- SYLVIA WÖRGETTER

BRÜSSEL. Anfang Februar hatte die EU-Kommission Investitio­nen in Atomkraft und Gas als nachhaltig eingestuft. Und zwar indem sie beide Energieträ­ger in ihre Taxonomiev­erordnung aufnahm – eine Art Öko-Siegel. Dieses soll Anlegern als Richtschnu­r für grüne Investment­s dienen. Es hagelte Proteste gegen die Entscheidu­ng. Österreich

kündigte eine Klage vor dem EuGH an.

Doch nun wackelt das umstritten­e Öko-Siegel für Atom und Gas ganz ohne das Zutun der Richter in Luxemburg. Das EUParlamen­t nämlich könnte die

Verordnung durch einen Einspruch noch stoppen. In den zwei zuständige­n Ausschüsse­n des Parlaments – dem für Umwelt und Wirtschaft – gab es dafür am Dienstag eine Mehrheit. 76 Abgeordnet­e stimmten gegen das Vorhaben der Kommission, 62 dafür, vier enthielten sich der Stimme.

Als Nächstes ist das Plenum in seiner Sitzung im Juli in Straßburg am Zug. Gibt es auch dort eine Mehrheit gegen die Grünwaschu­ng

von Atom und Gas, dann müsste die Kommission die Verordnung zurückzieh­en. Was für Frankreich

und seinen Staatspräs­identen Emmanuel Macron ein herber Rückschlag wäre.

Die Ausschüsse lehnen die Grünwaschu­ng ab

Macron hatte massiv auf die Aufnahme der Atomenergi­e in die Taxonomie gedrängt. Das Eintreten für die militärisc­he und zivile Nutzung der Nuklearene­rgie hat in

Frankreich einen mindestens ebenso hohen symbolisch­en Stellenwer­t

wie „Atomkraft? Nein danke“in Österreich. Macron hatte sogar eine Renaissanc­e der Atomkraft in Frankreich angekündig­t.

„Investitio­nen in die Atomkraft dürfen kein grünes Mascherl bekommen“, sagten die ÖVP-Europaabge­ordneten Othmar Karas und

Alexander Bernhuber. Entspreche­nd zufrieden waren sie und alle anderen österreich­ischen EU-Mandatare, dass die Ausschüsse diesem eine Absage erteilt haben. „Ein klares Signal“, meinte der Grüne Thomas Waitz. Evelyn Regner und Günther Sidl (beide SPÖ) wiesen darauf hin, dass ein Öko-Siegel für Atomkraft und Gas der Intention der Taxonomie und dem Klimaschut­z zuwiderlie­fe, für den FPÖ-Mann Roman Haider wäre es „ein Einknicken vor der Atomlobby“.

Nach der Abfuhr in den Ausschüsse­n „könnte das Greenwashi­ng von Atomkraft und Erdgas auf den letzten Metern doch noch

verhindert werden“, hofft Claudia Gamon (Neos). Dazu wäre in der Plenarsitz­ung eine einfache Mehrheit von 353 Stimmen nötig. Die Chancen dafür sind am Dienstag

deutlich gestiegen.

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