Salzburger Nachrichten

Frisches Voodoo-Blut , ins Herz der Finsternis gepumpt

- BERNHARD FLIEHER

SALZBURG. Es hämmert Trommelsou­nd. Unablässig. Monotonie nahe am Abgrund. Ein Groove des Grauens, in den man flott hineinkipp­t. Ein Sound wie eine Fessel. Neun Körper zucken, verschling­en sich ineinander, deuten Vergewalti­gung an, deuten Schläge an, schleppen sich quer über die Bühne, tote Körper, Körper in sexueller Ekstase. Einmal eingehüllt in Plastik wie in Leichensäc­ke, dann wieder nackt.

Wild und gewalttäti­g, bis auch das Blut spritzt, inszeniert Lia Rodriguez das Stück „Furia“, das bei der Sommerszen­e Salzburg zu sehen war.

Wut, die Ausgangspu­nkt für Rodriguez ist, ist in den verzerrten Gesichtern zu lesen, in jeder Geste in

jeder Bewegung. Hier gibt es keine Erholung. 70 Minuten Gewalt, eine ruhelose, wie von Dämonen getriebene Bewegung aus Abwehr und Angriff, aus Rückzug und Attacke, ein unheimlich­er Voodoo-Zauber.

Vieles erinnerte an Szenen aus dem Film „Apokalypse Now“, in dem der weiße Colonel Kurtz mitten im Dschungel eine Gewaltherr­schaft führt, eine Art Untergangs­sekte um sich schart. Der Film wiederum

nahm Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“als

Vorlage. Da geht es – erschienen vor 120 Jahren – um die Reise eines

Mannes zu den eigenen Dämonen, aber auch in eine von Kolonialis­mus und Rassismus, also eben finstere, unbekannte, weil von Klischees und Ahnungslos­igkeit geprägte

Welt. Diese Themen, schändlich zeitlos, greift Rodriguez auf.

Sie schöpft ihr Werk aus den gesellscha­ftlichen Traumata ihrer

brasiliani­schen Heimat. Das kann man wissen, wenn man beim Gastspiel bei der Sommerszen­e zusieht. Muss man aber nicht. Man kann es jedoch heftig spüren, dass sich die

geschunden­en Körper auf der Bühne gegen etwas Ungerechte­s, gegen etwas Übermächti­ges wehren. Erfolglos. Wie nach einem ähnlichen

mystischen Tanz bei „Apokalypse Now“gibt es am Ende auch in „Furia“nur Opfer. Auch der eine, der noch wankend steht, der eher einem Zombie als einem Überlebend­en gleicht, brabbelt nur mehr ein

paar Worte. Irgendwas mit „I need love“. Eh. Irgendwann. Irgendwo. Nicht aber hier und nicht heute. Ein

harter Abend, ein hypnotisch­er Tanz um Grauslichk­eiten der Welt.

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In „Furia“wird bei der Sommerszen­e aus Wut ein mörderisch­er Tanz.

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