Frisches Voodoo-Blut , ins Herz der Finsternis gepumpt
SALZBURG. Es hämmert Trommelsound. Unablässig. Monotonie nahe am Abgrund. Ein Groove des Grauens, in den man flott hineinkippt. Ein Sound wie eine Fessel. Neun Körper zucken, verschlingen sich ineinander, deuten Vergewaltigung an, deuten Schläge an, schleppen sich quer über die Bühne, tote Körper, Körper in sexueller Ekstase. Einmal eingehüllt in Plastik wie in Leichensäcke, dann wieder nackt.
Wild und gewalttätig, bis auch das Blut spritzt, inszeniert Lia Rodriguez das Stück „Furia“, das bei der Sommerszene Salzburg zu sehen war.
Wut, die Ausgangspunkt für Rodriguez ist, ist in den verzerrten Gesichtern zu lesen, in jeder Geste in
jeder Bewegung. Hier gibt es keine Erholung. 70 Minuten Gewalt, eine ruhelose, wie von Dämonen getriebene Bewegung aus Abwehr und Angriff, aus Rückzug und Attacke, ein unheimlicher Voodoo-Zauber.
Vieles erinnerte an Szenen aus dem Film „Apokalypse Now“, in dem der weiße Colonel Kurtz mitten im Dschungel eine Gewaltherrschaft führt, eine Art Untergangssekte um sich schart. Der Film wiederum
nahm Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“als
Vorlage. Da geht es – erschienen vor 120 Jahren – um die Reise eines
Mannes zu den eigenen Dämonen, aber auch in eine von Kolonialismus und Rassismus, also eben finstere, unbekannte, weil von Klischees und Ahnungslosigkeit geprägte
Welt. Diese Themen, schändlich zeitlos, greift Rodriguez auf.
Sie schöpft ihr Werk aus den gesellschaftlichen Traumata ihrer
brasilianischen Heimat. Das kann man wissen, wenn man beim Gastspiel bei der Sommerszene zusieht. Muss man aber nicht. Man kann es jedoch heftig spüren, dass sich die
geschundenen Körper auf der Bühne gegen etwas Ungerechtes, gegen etwas Übermächtiges wehren. Erfolglos. Wie nach einem ähnlichen
mystischen Tanz bei „Apokalypse Now“gibt es am Ende auch in „Furia“nur Opfer. Auch der eine, der noch wankend steht, der eher einem Zombie als einem Überlebenden gleicht, brabbelt nur mehr ein
paar Worte. Irgendwas mit „I need love“. Eh. Irgendwann. Irgendwo. Nicht aber hier und nicht heute. Ein
harter Abend, ein hypnotischer Tanz um Grauslichkeiten der Welt.