Zinsen steigen, Sorgen wachsen
Inflation, steigende Zinsen und lange lasch vergebene Kredite. Eine gefährliche Mischung für Wohnungskäufer und Banken. Jetzt soll sich das ändern.
WIEN. Dem jungen Paar mit Kind,
beide gut verdienend, war der günstige variable Zinssatz, den sie für ihren Wohnungskredit vereinbart
hatten, dann doch zu unsicher. Schon lange bevor die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt hat, angesichts der hohen Inflation den Leitzins nach elf Jahren erstmals
wieder anzuheben, sattelte es auf einen fixen Zinssatz um. Statt 0,4
Prozent beträgt der Zinssatz jetzt (noch immer günstige) 1,5 Prozent.
Doch nicht alle Häuslbauer und Immobilienkäufer können sich höhere Rückzahlungsraten leisten. Schon gar nicht, wenn sie nur aufgrund der sehr, sehr großzügigen Kreditvergabe der vergangenen Jahre durch Banken zu Geld gekommen sind und jetzt zusätzlich mit steigenden Lebenshaltungskosten
kämpfen. Wenn die Zinsen in den nächsten Monaten steigen, könnte es für viele Familien schnell eng werden. Die Schuldnerberatung hat
Anfang Mai erklärt, sie rechne heuer mit mehr Privatkonkursen, nicht zuletzt wegen Immobilienkrediten an Menschen, die sich das nur aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveaus leisten konnten.
„Wer einen variablen Zinssatz hat, sollte mit seiner Bank reden“, rät Christian Prantner, Finanzexperte in der KonsumentenschutzAbteilung der Arbeiterkammer (AK). Dort melden sich Kreditnehmer mitunter, wenn sie nicht weiterwissen oder gute Ratschläge suchen. Zuletzt seien mehr Fragen zum Thema Zinsen gestellt worden,
weil es bei den fix verzinsten Darlehen schon erhebliche Steigerungen gegeben habe, sagt Prantner. Das werde sich fortsetzen, vor allem wenn die EZB im Herbst weitere Zinsschritte setze.
Die Anfragen nehmen auch bei der Salzburger Sparkasse zu. Nervosität erkennt Vorstandschef Christoph Paulweber bei den Kunden aber nicht. Vom Immobilienkreditvolumen von 2,3 Mrd. Euro
wechselten pro Monat nur ein bis
Kreditvolumen stieg seit 2018 um ein Drittel
zwei Prozent. „Viele bleiben bei variablen Zinsen“, sagt er, nicht zuletzt, weil die Fixzinssätze stark gestiegen seien, bei Neuverträgen auf
3,5 bis 4 Prozent. „Das hat sich in den letzten Wochen extrem schnell entwickelt. Vor einem halben Jahr waren wir bei der Hälfte.“
Auch bei der RLB Niederösterreich-Wien ist von Zinssorgen
nichts zu spüren. Der Großteil der Finanzierungen sei gemischt verzinst, heißt es. Kundenanfragen gebe es nicht mehr als im Vorjahr.
AK-Experte Prantner rät Kreditnehmern, vor einem Umstieg auf Fixverzinsung jedenfalls bei mehreren Banken anzufragen. Generell lohne sich ein Vergleich der Kreditkonditionen: Die AK kam bei einem 200.000-Euro-Kredit über die Laufzeit von 20 Jahren auf 13.000 bis 20.000 Euro Differenz.
Laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) war Ende März die Hälfte der Immobilienkredite in Österreich rein variabel verzinst – meist geknüpft an den Drei-Monats-Euribor. 2018 lag der Anteil bei 68 Prozent. Nur sechs Prozent sind
über die gesamte Periode fix verzinst. Bei 44 Prozent (2018: 27 Prozent)
gilt ein gemischter Zinssatz,
wobei meist auf eine Phase mit fixen eine mit variablen Zinsen folgt. In Summe hafteten Ende März 131 Mrd. Euro Wohnbaukredite aus, ein Plus von 30 Prozent binnen vier Jahren. Im ersten Quartal 2022 war laut OeNB nur noch rund ein Drittel der neu vergebenen Kredite variabel verzinst, nach 43 Prozent 2021.
Ab Juli werden bisher nur empfohlene Kriterien bei der Neuvergabe von Hypothekarkrediten rechtsverbindlich. Dann müssen 20 Prozent des Kaufpreises (inklusive Nebenkosten) in Form von Eigenkapital nachgewiesen werden, die Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des monatlichen verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen und die Laufzeit der Finanzierung 35 Jahre nicht übersteigen.
Diese Kriterien hätte im Vorjahr rund ein Drittel der Kunden nicht erreicht, räumte der SalzburgerSparkasse-Chef kürzlich ein. Er erwartet jetzt, dass die Kreditvergabe zurückgeht, gerade bei jungen Menschen, die noch nicht ausreichend Reserven aufgebaut haben. Die AK rechnet mit einer Verknappung und Verteuerung der Kredite.
Parallel dazu ist die Überbewertung der heimischen Immobilien seit Jahresbeginn weiter gestiegen. Ein von der OeNB ermittelter Indikator, der die Abweichung der aktuellen Marktpreise vom Fundamentalpreis misst, lag im ersten Quartal
bei 35 Prozent, um 16 Prozentpunkte über dem ersten Quartal 2021. Ein derart hoher Anstieg wurde seit Beginn der seit 1989 erstellten Zeitreihen noch nie verzeichnet.