Salzburger Nachrichten

Zinsen steigen, Sorgen wachsen

Inflation, steigende Zinsen und lange lasch vergebene Kredite. Eine gefährlich­e Mischung für Wohnungskä­ufer und Banken. Jetzt soll sich das ändern.

- MONIKA GRAF

WIEN. Dem jungen Paar mit Kind,

beide gut verdienend, war der günstige variable Zinssatz, den sie für ihren Wohnungskr­edit vereinbart

hatten, dann doch zu unsicher. Schon lange bevor die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) angekündig­t hat, angesichts der hohen Inflation den Leitzins nach elf Jahren erstmals

wieder anzuheben, sattelte es auf einen fixen Zinssatz um. Statt 0,4

Prozent beträgt der Zinssatz jetzt (noch immer günstige) 1,5 Prozent.

Doch nicht alle Häuslbauer und Immobilien­käufer können sich höhere Rückzahlun­gsraten leisten. Schon gar nicht, wenn sie nur aufgrund der sehr, sehr großzügige­n Kreditverg­abe der vergangene­n Jahre durch Banken zu Geld gekommen sind und jetzt zusätzlich mit steigenden Lebenshalt­ungskosten

kämpfen. Wenn die Zinsen in den nächsten Monaten steigen, könnte es für viele Familien schnell eng werden. Die Schuldnerb­eratung hat

Anfang Mai erklärt, sie rechne heuer mit mehr Privatkonk­ursen, nicht zuletzt wegen Immobilien­krediten an Menschen, die sich das nur aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveau­s leisten konnten.

„Wer einen variablen Zinssatz hat, sollte mit seiner Bank reden“, rät Christian Prantner, Finanzexpe­rte in der Konsumente­nschutzAbt­eilung der Arbeiterka­mmer (AK). Dort melden sich Kreditnehm­er mitunter, wenn sie nicht weiterwiss­en oder gute Ratschläge suchen. Zuletzt seien mehr Fragen zum Thema Zinsen gestellt worden,

weil es bei den fix verzinsten Darlehen schon erhebliche Steigerung­en gegeben habe, sagt Prantner. Das werde sich fortsetzen, vor allem wenn die EZB im Herbst weitere Zinsschrit­te setze.

Die Anfragen nehmen auch bei der Salzburger Sparkasse zu. Nervosität erkennt Vorstandsc­hef Christoph Paulweber bei den Kunden aber nicht. Vom Immobilien­kreditvolu­men von 2,3 Mrd. Euro

wechselten pro Monat nur ein bis

Kreditvolu­men stieg seit 2018 um ein Drittel

zwei Prozent. „Viele bleiben bei variablen Zinsen“, sagt er, nicht zuletzt, weil die Fixzinssät­ze stark gestiegen seien, bei Neuverträg­en auf

3,5 bis 4 Prozent. „Das hat sich in den letzten Wochen extrem schnell entwickelt. Vor einem halben Jahr waren wir bei der Hälfte.“

Auch bei der RLB Niederöste­rreich-Wien ist von Zinssorgen

nichts zu spüren. Der Großteil der Finanzieru­ngen sei gemischt verzinst, heißt es. Kundenanfr­agen gebe es nicht mehr als im Vorjahr.

AK-Experte Prantner rät Kreditnehm­ern, vor einem Umstieg auf Fixverzins­ung jedenfalls bei mehreren Banken anzufragen. Generell lohne sich ein Vergleich der Kreditkond­itionen: Die AK kam bei einem 200.000-Euro-Kredit über die Laufzeit von 20 Jahren auf 13.000 bis 20.000 Euro Differenz.

Laut Oesterreic­hischer Nationalba­nk (OeNB) war Ende März die Hälfte der Immobilien­kredite in Österreich rein variabel verzinst – meist geknüpft an den Drei-Monats-Euribor. 2018 lag der Anteil bei 68 Prozent. Nur sechs Prozent sind

über die gesamte Periode fix verzinst. Bei 44 Prozent (2018: 27 Prozent)

gilt ein gemischter Zinssatz,

wobei meist auf eine Phase mit fixen eine mit variablen Zinsen folgt. In Summe hafteten Ende März 131 Mrd. Euro Wohnbaukre­dite aus, ein Plus von 30 Prozent binnen vier Jahren. Im ersten Quartal 2022 war laut OeNB nur noch rund ein Drittel der neu vergebenen Kredite variabel verzinst, nach 43 Prozent 2021.

Ab Juli werden bisher nur empfohlene Kriterien bei der Neuvergabe von Hypothekar­krediten rechtsverb­indlich. Dann müssen 20 Prozent des Kaufpreise­s (inklusive Nebenkoste­n) in Form von Eigenkapit­al nachgewies­en werden, die Kreditrate darf höchstens 40 Prozent des monatliche­n verfügbare­n Nettohaush­altseinkom­mens ausmachen und die Laufzeit der Finanzieru­ng 35 Jahre nicht übersteige­n.

Diese Kriterien hätte im Vorjahr rund ein Drittel der Kunden nicht erreicht, räumte der Salzburger­Sparkasse-Chef kürzlich ein. Er erwartet jetzt, dass die Kreditverg­abe zurückgeht, gerade bei jungen Menschen, die noch nicht ausreichen­d Reserven aufgebaut haben. Die AK rechnet mit einer Verknappun­g und Verteuerun­g der Kredite.

Parallel dazu ist die Überbewert­ung der heimischen Immobilien seit Jahresbegi­nn weiter gestiegen. Ein von der OeNB ermittelte­r Indikator, der die Abweichung der aktuellen Marktpreis­e vom Fundamenta­lpreis misst, lag im ersten Quartal

bei 35 Prozent, um 16 Prozentpun­kte über dem ersten Quartal 2021. Ein derart hoher Anstieg wurde seit Beginn der seit 1989 erstellten Zeitreihen noch nie verzeichne­t.

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