IS-Terror wurde aus Österreich finanziert
Die Terrorgefahr in Europa – und somit auch in Österreich – steigt wieder. Der Verfassungsschutz ist derzeit einer gut vernetzten Terrorzelle auf der Spur.
WIEN. Es begann am 3. Februar 2022: Bei einem nächtlichen Einsatz des US-Militärs im Nordwesten Syriens kam Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurashi, Anführer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS), ums Leben. Kurz darauf rief im Irak ISSprecher Abu Omar Al-Muhajir zu
Vergeltungsschlägen in ganz Europa auf. Insbesondere große Menschenansammlungen in Europa sollten als Ziele des IS-Terrors auserkoren werden.
Bei Verfassungsschützern in ganz Europa läuteten daraufhin die
Alarmglocken – auch bei der heimischen Direktion für Staatsschutz
und Nachrichtendienst (DSN). Was folgte, war akribische Ermittlungsarbeit. Und die zeitigte auch bald Erfolge: Im April konnte eine mutmaßliche IS-Terrorzelle in Österreich ausfindig gemacht werden. Bei den Verdächtigen handle es sich vorwiegend um irakische Staatsbürger, die in der Blütezeit des IS führende Rollen eingenommen haben sollen und nun für die Durchführung der Aufträge zu neuerlichen Anschlägen in Europa rekrutiert wurden.
„Festnahmen gab es bis dato noch keine“, sagte Patrick Maierhofer, Sprecher des Innenministeriums, am Dienstag im SN-Gespräch. Dabei nannte er einen wesentlichen Punkt in der Ermittlungsarbeit: „Die Finanzierung der Terrorzelle erfolgt von Österreich aus.“Genaueres könne man zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Nur so
viel: „Die österreichische Zelle ist Teil des europäischen Netzwerks.“Und es seien „Vorbereitungshandlungen“angekündigt worden. Das veranlasste die DSN, vor allem eine
Veranstaltung ganz genau unter die Lupe zu nehmen: den Vienna City Marathon am Sonntag, 24. April. Zehntausende Teilnehmerinnen
und Teilnehmer, Hunderttausende Zuschauer – eine Großveranstaltung, wie sie als Anschlagsziel des IS angekündigt worden war. Man habe „die Bedrohung sehr ernst genommen, auch wenn die genannte Sportveranstaltung nicht konkret im
Blickpunkt des gegenständlichen
Terrornetzwerks stand“, heißt es aus der DSN. Dennoch habe es spezielle Schutzmaßnahmen gegeben.
Was die Ermittler ebenfalls herausfanden: Die verdächtigen Personen versuchten die interne Kommunikation so geheim wie möglich zu halten. Die mutmaßlichen ISTerroristen verwendeten unter anderem Chatfunktionen einzelner Videospiele auf Spielkonsolen.
Nach dem islamistischen Terroranschlag am 2. November 2020 in
Wien habe man – schon aufgrund der Ermittlungen – einen wahrnehmbaren Rückgang der Tätigkeiten islamistischer Terrornetzwerke in Österreich bemerkt. Das dürfte sich nun geändert haben. Aufgrund der geopolitischen Situation und des Aufrufs der IS-Führung zu Terroranschlägen in Europa sei aktuell eine Zunahme terroristischer oder islamistischextremistischer Intentionen in Österreich feststellbar.
Der Veranstalter des WienMarathons zeigte sich indes überrascht, dass das Event als
Anschlagsziel gegolten haben soll. Man habe bei der jährlich
üblichen Behördenvorbesprechung, an der auch der Verfassungsschutz teilgenommen habe, keine Information über ein konkretes Anschlagsszenario erhalten.