Salzburger Nachrichten

O’zapft is! Wenn nur noch Millionäre im Bierzelt sitzen

In Österreich gibt es seit dem Vorjahr 13.000 neue Dollar-Millionäre. Das erklärt, warum ein Kohlrabi derzeit 1,48 Euro kostet.

- TEUFELSKÜC­HE Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Die Salzburger Dult ist jetzt schon wieder fast eine Woche vorbei. Was geblieben ist, sind Gehörschäd­en, Brechreiz und Schleudert­raumata (für all jene, die sich auch wirklich alles getraut haben). Die Teufelsküc­he hielt sich natürlich nur im Festzelt auf, wo emsige Helferlein einen offenbar nicht enden wollenden Strom an Bier in Maßkrügen unters Volk brachten.

Das Gesprächst­hema des Tages war – wie alle Jahre wieder – der neue Preis der Maß des Oktoberfes­ts in München. Der liegt diesmal bei irgendwas über 14 Euro. Die Aufregung unter manchen Gästen in der Salzburger Stieglhall­e

war – sagen wir einmal – hörbar (so viel zum Gehörschad­en). Den aus dem Allgäu stammenden Festwirt Jochen Mörz ließ die Diskussion kalt. „Glaubt ihr, dass auch nur ein Besucher

wegen des hohen Bierpreise­s nicht nach München kommen wird?“, fragte er. Die Frage war

gut. Die Gäste am Tisch starrten auf ihre Maß und freuten sich, dass diese „nur“10,40 Euro

kostet. Dafür kriegen Sie im Gasthaus ein Mittagsmen­ü mit einem Seidel Bier. Aber das ist den meisten auch zu teuer. In diesem Sinn: „Prost, Buam, a Liter, bei uns gibt’s koa MüdiMüdigk­eit. Prost, Buam, a Liter, bei uns gibt’s koan Streit.“

Angeblich geht es uns allen derzeit recht schlecht. Sie wissen schon: Energiekos­ten, Lebensmitt­elpreise und so weiter. Und bei vielen Menschen stimmt das auch. Es ist ein Skandal, dass in unserem reichen Land immer mehr Österreich­er jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen. Wie sollen Sozialfäll­e und Geringverd­iener auch halbwegs durchkomme­n, wenn ein Kohlrabi im Supermarkt schon 1,48 Euro kostet? Noch einmal zum Mitschreib­en: Ein Kohlrabi kostet 1,48 Euro. Um dieses Geld krieg ich

beim Diskonter ums Eck allerdings ein Viertelkil­o Chicken Wings. Natürlich bereits mariniert. Ein Kilogramm Schweinesc­hulter um

2,99 Euro hatten wir auch schon im Postein

gang. Damit Sie uns nicht falsch verstehen:

Nur das Angebot natürlich. Um 2,99 Euro kriegen Sie schon zwei Kohlrabi. Ein Schwein wird als Lebewesen aufgezogen. Ein Kohlrabi dagegen wird locker aus dem Boden gezogen. So etwas nennt man wohl „stressfrei­e Pflückung“.

Und während wir über steigende Preise von Gemüse und sinkende Preise von Fleisch diskutiere­n, machen sich die Reichen bereit für die Wiesn in München. Wenn Sie sich nämlich

fragen sollten, wer sich ein paar Maß Bier zum Preis von je 14,40 Euro leisten kann, dann sollten Sie den neuen Bericht der Beraterfir­ma Capgemini zur Hand nehmen. Dieser weist aus, dass es in Österreich im Vergleich zum Vorjahr

mehr als 13.000 neue Dollar-Millionäre gibt. Insgesamt gibt es bei uns schon 176.000 Millionäre. Die können ein Volksfest locker füllen –

und sie können es sich auch leisten. Prost!

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