O’zapft is! Wenn nur noch Millionäre im Bierzelt sitzen
In Österreich gibt es seit dem Vorjahr 13.000 neue Dollar-Millionäre. Das erklärt, warum ein Kohlrabi derzeit 1,48 Euro kostet.
Die Salzburger Dult ist jetzt schon wieder fast eine Woche vorbei. Was geblieben ist, sind Gehörschäden, Brechreiz und Schleudertraumata (für all jene, die sich auch wirklich alles getraut haben). Die Teufelsküche hielt sich natürlich nur im Festzelt auf, wo emsige Helferlein einen offenbar nicht enden wollenden Strom an Bier in Maßkrügen unters Volk brachten.
Das Gesprächsthema des Tages war – wie alle Jahre wieder – der neue Preis der Maß des Oktoberfests in München. Der liegt diesmal bei irgendwas über 14 Euro. Die Aufregung unter manchen Gästen in der Salzburger Stieglhalle
war – sagen wir einmal – hörbar (so viel zum Gehörschaden). Den aus dem Allgäu stammenden Festwirt Jochen Mörz ließ die Diskussion kalt. „Glaubt ihr, dass auch nur ein Besucher
wegen des hohen Bierpreises nicht nach München kommen wird?“, fragte er. Die Frage war
gut. Die Gäste am Tisch starrten auf ihre Maß und freuten sich, dass diese „nur“10,40 Euro
kostet. Dafür kriegen Sie im Gasthaus ein Mittagsmenü mit einem Seidel Bier. Aber das ist den meisten auch zu teuer. In diesem Sinn: „Prost, Buam, a Liter, bei uns gibt’s koa MüdiMüdigkeit. Prost, Buam, a Liter, bei uns gibt’s koan Streit.“
Angeblich geht es uns allen derzeit recht schlecht. Sie wissen schon: Energiekosten, Lebensmittelpreise und so weiter. Und bei vielen Menschen stimmt das auch. Es ist ein Skandal, dass in unserem reichen Land immer mehr Österreicher jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen. Wie sollen Sozialfälle und Geringverdiener auch halbwegs durchkommen, wenn ein Kohlrabi im Supermarkt schon 1,48 Euro kostet? Noch einmal zum Mitschreiben: Ein Kohlrabi kostet 1,48 Euro. Um dieses Geld krieg ich
beim Diskonter ums Eck allerdings ein Viertelkilo Chicken Wings. Natürlich bereits mariniert. Ein Kilogramm Schweineschulter um
2,99 Euro hatten wir auch schon im Postein
gang. Damit Sie uns nicht falsch verstehen:
Nur das Angebot natürlich. Um 2,99 Euro kriegen Sie schon zwei Kohlrabi. Ein Schwein wird als Lebewesen aufgezogen. Ein Kohlrabi dagegen wird locker aus dem Boden gezogen. So etwas nennt man wohl „stressfreie Pflückung“.
Und während wir über steigende Preise von Gemüse und sinkende Preise von Fleisch diskutieren, machen sich die Reichen bereit für die Wiesn in München. Wenn Sie sich nämlich
fragen sollten, wer sich ein paar Maß Bier zum Preis von je 14,40 Euro leisten kann, dann sollten Sie den neuen Bericht der Beraterfirma Capgemini zur Hand nehmen. Dieser weist aus, dass es in Österreich im Vergleich zum Vorjahr
mehr als 13.000 neue Dollar-Millionäre gibt. Insgesamt gibt es bei uns schon 176.000 Millionäre. Die können ein Volksfest locker füllen –
und sie können es sich auch leisten. Prost!