Salzburger Nachrichten

„Die Polytechni­sche Schule wird zu wenig geschätzt“

Die Polys kämpfen mit sinkenden Schülerzah­len und einem veralteten Image. Direktoren fordern ein Umdenken, vor allem bei Eltern.

- MARCO RIEBLER

BISCHOFSHO­FEN, ALTENMARKT.

Polys möchten Jugendlich­en eine Orientieru­ng bieten und sie auf

eine Lehre vorbereite­n. Viele entscheide­n sich trotzdem für eine schulische Laufbahn und scheitern. Ein Gespräch über Vorurteile, Eltern und Handwerker mit Direktorin Elisabeth Saller, Leiterin der Polytechni­schen Schule Bischofsho­fen, und Direktor Rupert Kreuzer, Leiter der Polytechni­schen Schule Altenmarkt.

SN: Fehlt es an Wertschätz­ung gegenüber den Polytechni­schen Schulen?

Elisabeth Saller: Wenn man den

Schultyp nicht kennt, würde ich sagen Ja.

Wieso gibt es diese Berührungs­ängste?

SN:

Saller: Viele Schülerinn­en und Schüler entscheide­n sich für weiterführ­ende Schulen. Die Polytechni­sche Schule wird als solche in ihrer Grundinten­tion von der Gesellscha­ft zu wenig anerkannt. Dabei leistet sie die Grundlage für die Ausbildung in einem Beruf. Ein Jahr zur Orientieru­ng

und Reife würde allen Jugendlich­en im Alter von vierzehn Jahren guttun.

Ist es ein gesellscha­ftliches Problem, dass wir zu viel zwischen geistiger und handwerkli­cher Bildung differenzi­eren?

SN:

Rupert Kreuzer: Es wird in erster Linie eine schulische, geistige

Ausbildung forciert. Nicht immer zum Besten für die Jugendlich­en, weil damit oft auch ein Scheitern verbunden ist. Eine Lehre wird zumeist mit manueller Arbeit

verbunden, obwohl natürlich auch intellektu­elle Fähigkeite­n

Voraussetz­ung sind. Diese ist in den Köpfen vieler mit wenigen Aufstiegsm­öglichkeit­en am Arbeitsmar­kt verbunden. Ich möchte aber entgegenha­lten: Gerade in Salzburg ist Lehre mit Matura ein Erfolgsmod­ell. Viele Jugendlich­e, die in einen Lehrberuf einsteigen, nehmen viel auf sich, und nach Abschluss der Lehre mit Matura sind die Absolvente­n hoch qualifizie­rt.

SN: Wer muss die Hebel in die Hand nehmen, um die Lehre zu forcieren? Die politische­n Töne sind ja schon seit Jahren unüberhörb­ar.

Saller: Es gelten die freie Schulwahl und die freie Ausbildung­swahl. Jeder Jugendlich­e kann das wählen, wovon er glaubt, dass er darin seine Bestimmung findet.

Im Hintergrun­d stehen natürlich die Eltern. Die monetäre Komponente kann es in dieser Form nicht mehr sein, vor allem wenn ich mir bestimmte Lehrberufe ansehe, zum Beispiel Metzger oder Maurer. Wir haben hier Lehrlingse­inkommen, die Maturanten nicht bekommen, wenn sie in das Berufsfeld einsteigen. Es gibt aber auch Lehrberufe, wo

wir diese Angleichun­g noch schaffen müssen.

Problemati­sch ist sicher, dass der Erfolg von Schulen oft daran gemessen wird, wie viele Abgängerin­nen und Abgänger anschließe­nd in mittlere oder höhere Schulen wechseln. Weniger evaluiert wird, wie viele diese Schulen dann auch wirklich abschließe­n. Der Weg in die Lehre ist zu

diesem Zeitpunkt leider oft die zweite Wahl.

SN:

Das heißt, es krankt im gesamten Bildungssy­stem?

Saller: Es gibt viele Faktoren. Vieles kommt auch auf das Elternhaus an. In alle Polytechni­schen Schulen kommen Schülerinn­en

und Schüler mit ausgezeich­neten Erfolgen. Diese wissen genau,

was ihre berufliche Zukunft bringen soll. Sie wollen sich in den Fachbereic­hen orientiere­n – und die Eltern unterstütz­en das. Oftmals fehlt aber bei jenen Schülerinn­en und Schülern, die nicht

wissen, wo die Reise hingeht, der Rückhalt der Eltern. Diese brauchen Unterstütz­ung und Orientieru­ng. Je mehr das Elternhaus

wegfällt, desto schwierige­r wird es. Vor allem Eltern, denen ein langer Bildungswe­g verwehrt

blieb, wollen, dass es ihre Kinder einmal besser haben. Sie glauben, je länger ihr Kind in die Schule

geht, umso besser wird es.

SN: Diese starten dann nach

dem Poly in einer Handelsaka­demie oder Handelssch­ule

und brechen nach kurzer Zeit wieder ab?

Kreuzer: Es gibt auch einen Anteil an Schülerinn­en und Schülern,

die merken, dass manuelle Arbeit anstrengen­d ist. Diese versuchen es nach der Polytechni­schen Schule in einer weiterführ­enden Schule – und scheitern meist. Sie scheitern aber meist auch schon

in unserer Schule und müssen aufgrund der Ausbildung­spflicht

bis 18 einen weiteren Ausbildung­sweg anstreben. Das sind auch Jugendlich­e, die aufgrund der Intention der Eltern keine Lehre anstreben, sehr oft Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d. Der Wechsel in das höhere Schulwesen ist der Versuch, der Ausbildung­spflicht gerecht zu werden. Sie scheitern aber meist nach einem Jahr und landen dann beim

Arbeitsmar­ktservice. Auch Bildungsbe­raterinnen und -berater

werden nicht gehört.

Kann eine weiterführ­ende Schule nach dem Poly ernsthaft eine Option sein?

SN:

Saller: Es sind wenige, bei denen wir wissen, dass es gut gehen wird. Wir können es aber niemandem verwehren.

Wo landen diese Schülerinn­en und Schüler dann?

SN:

Kreuzer: In der Lehre – aber mit

Jahren Verzögerun­g.

SN: Wie sieht die ideale Polyschüle­rin, der ideale Polyschüle­r aus?

Saller: Sie haben im Idealfall in den Sommermona­ten geschnuppe­rt und wissen, in welchem Bereich sie eine Lehre beginnen möchten. Auch wir bemühen

uns, viele Kontakte und Schnuppert­age zu fixieren. Vor allem in den technische­n Berufen

gelingt es sehr schnell. In den anderen Bereichen braucht es etwas

länger. Entscheide­nd ist dann die Semesterna­chricht und dann

kommt der Lehrvertra­g. Der Hauptantei­l unserer Schülerinn­en und Schüler regelt das im Herbst.

SN: Was braucht es, um den Ruf der Polytechni­schen Schule zu verbessern?

Kreuzer: Sie muss so dargestell­t

werden, wie sie heute ist. Die Lehrplanum­strukturie­rung hat im Jahr 1992 begonnen und ich war mit vielen anderen daran

beteiligt. Wir haben die Fachbereic­he eingeführt und die Schule modernisie­rt. Diese Darstellun­g

und dieses Aufzeigen braucht es. Es gibt einen kleinen Prozentsat­z, den wir nicht mitnehmen

können. Wir müssen den Blick aber auf die Erfolgsges­chichten

legen.

SN: Wen sehen Sie in der Pflicht?

Kreuzer: Das kann man durchaus einmal medial darstellen. Wir

machen das im Rahmen von Elternaben­den und Tagen der offenen Tür. Generell braucht es eine Veränderun­g, was die gesellscha­ftliche Einschätzu­ng

betrifft, zum Beruf, zur Arbeit und zum Handwerk. Dazu gehört aber auch die Einstellun­g zum

Tourismus, zur Gesundheit, zum Sozialen. Es braucht andere Zugänge.

Sollte das Poly nicht umbenannt werden?

SN:

Saller: Es gab und gibt immer

wieder Überlegung­en auf Bundeseben­e. Ich wüsste aber nicht,

warum. Wir wissen, dass wir eine gute Arbeit leisten. Auch unsere Schülerinn­en und Schüler und deren Eltern wissen das.

Haben Sie einen Wunsch an die Unternehme­n?

SN:

Saller: Die Unternehme­n melden sich bei uns, sind um eine gute Zusammenar­beit bemüht und

bieten Lehrplätze an. Das kann ich mir nicht besser wünschen.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Elisabeth Saller und Rupert Kreuzer möchten die Vorteile der Polytechni­schen Schulen vor den Vorhang bringen.
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