Handke auf Rinde, ein Bad in der Literatur
Handke schreibt auf Holz, Bachmann geht im Overall baden – das Literaturarchiv Salzburg bewegt sich zum Zehn-Jahr-Jubiläum aus der Ordnung.
SALZBURG. Nur das Ablegen
reicht ja nicht. Es ist schon wichtig, denn: Das Ablegen schafft Ordnung. Aber es besteht freilich schon die Gefahr, dass das Abgelegte aus dem Bewusstsein verschwindet, dass es womöglich
verstaubt. Das Literaturarchiv Salzburg legt ab, aber bekämpft gleichzeitig das Vergessen.
Die Ordnung also ist wichtig, erst recht in einem Archiv, das
nicht nur Lager, sondern eben auch Arbeitsraum sein muss, für
interessierte Laien ebenso wie für wissenschaftliche Zwecke.
Und so stellt das Literaturarchiv Salzburg bei seiner neuen Ausstellung ebendieses Thema in den Mittelpunkt. Der „Arbeitsraum Archiv“wird beleuchtet. Dass man sich so grundsätzlich
mit der eigenen Arbeit beschäftigt, hat auch mit einem Jubiläum zu tun: Das Literaturarchiv Salzburg wird heuer zehn Jahre alt.
„Wer sich der Beschäftigung mit diesen Originalmaterialien stellt, die nicht nur intellektuell, sondern auch emotional herausfordernd sein können, wird darin
ganz eigene Entdeckungen machen“, sagen Oliver Matuschek
und Lina Maria Zangerl, die die Idee für die Jubiläumsschau entwickelte.
Zehn Stationen gibt es zu sehen. Dabei werde, so Literaturarchiv-Leiter Manfred Mittermayer, der Ausstellungstitel „Aus der Ordnung“in seinem Doppelsinn erfasst. Einerseits sind es Objekte, die freilich „aus der Ordnung“der erschlossenen Archivbestände kommen. Anderseits fallen sie „aus der Ordnung“, weil sie die
üblichen Erwartungen an etwas, das man als „literarisches Archivmaterial“bezeichnen würde, nicht unbedingt erfüllen. Zu sehen ist dann etwa ein Strandoverall von Ingeborg Bachmann oder auch eine Rinde, beschrieben von Peter Handke für seinen langjährigen Freund Johannes Neuhardt.
Wir lernen – ganz oberflächlich, aber eben auch ganz interessiert
betrachtend –, dass Handke die Natur liebt und bei Bachmann Mode eine wichtige Rolle spielt.
Die Ausstellung rücke „das Archiv als Erinnerungslabor in den
Vordergrund“. Also werde „über die Zeichenhaftigkeit und die
Lesbarkeit literarischer Arbeiten“ebenso Auskunft gegeben. Es
geht um die Art der Schreibprozesse, aber – etwa anhand eines Golfschlägers aus dem Nachlass
von Karl Heinrich Waggerl – auch um Legendenbildungen. Erzählt
wird dabei auch über die Wege, auf denen die ausgewählten Beispiele – Manuskripte, Tagebücher oder eben auch Kleidungsstücke – ins Archiv gelangt sind.
Die Wurzeln des Archivs reichen bis 1977, als Adolf Haslinger, damals Germanistik-Professor,
begonnen hatte, Autografen und andere Dokumente zur Literatur Österreichs, speziell Salzburgs, zu sammeln. Die so zusammengetragenen Bestände, ab 1996 als Teil einer Stiftung, sind wesentliche Bestandteile des Archivs.
Das Literaturarchiv – ab 2012 offiziell angelegt als Forschungszentrum von Universität, Land
und Stadt Salzburg – hat sich in den vergangenen zehn Jahren aber nicht nur als Ort der inneren Ordnung mit seiner Sammlung
etabliert. Unter anderem sei man auch eine „aktive Größe“innerhalb der Salzburger Literaturszene geworden. Neben Ausstellungen ist man Partner verschiedener Einrichtungen – etwa der Rauriser Literaturtage, einer der
renommiertesten Literaturveranstaltungen des Landes. „Zehn
Jahre Literaturarchiv Salzburg
bedeuten eine wichtige Brücke von der Wissenschaft zur Öffentlichkeit“, sagte daher auch die unter anderem für Wissenschaft zuständige Landesrätin Andrea Klambauer (Neos) bei der Eröffnung der neuen Ausstellung. Sie
verwies auch auf jene zentralen Schwerpunkte, die das Literaturarchiv überregional bedeutsam
machen. Neben erworbenen Beständen – etwa einem der weltweit bedeutendsten Teilnachlässe zu Stefan Zweig, den Archiven des Residenz-Verlags, des Literaturforums Leselampe und der Rauriser Literaturtage oder erst jüngst dem Vorlass von Karl-Markus Gauß – gibt es etwa die Internetplattform „Stefan Zweig digital“. Zu Thomas Bernhard wird seit Jahren geforscht. Und es gibt die international viel beachtete Salzburger Bachmann-Edition
mit bisher fünf Einzelbänden.
„Das Literaturarchiv ist eine wichtige Brücke von der Wissenschaft zur Öffentlichkeit.“Andrea Klambauer, Landesrätin
Ausstellung: „Aus der Ordnung – Zehn Jahre Literaturarchiv Salzburg“. Zu sehen bis zum 4. September in der Max-GandolphBibliothek (Zugang über das Salzburg Museum).