Salzburger Nachrichten

Ein geschlosse­nes Altersheim erzählt

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Vor etwas mehr als 20 Jahren wurde ich als „Städtische­s Seniorenwo­hnhaus Bolaring“geboren. Rund, hell, klein, familiär. Ein freundlich­es letztes Zuhause. Es wurde gelacht, geturnt,

gekocht, gesungen, gefeiert.

Und dann, vor drei Monaten: ein emotionale­s Erdbeben! Ich erfuhr, dass ich mich von meinen Menschen trennen musste! Ich ahnte nichts, ich bekam sogar noch neue Terrassent­üren … Ich hörte „Pflegenots­tand“und wunderte mich. Warum müssen meine Menschen für etwas büßen, das es bereits seit Jahren gibt?

Jetzt bin ich seit einem Monat ohne Bewohner. In meinen

leeren Räumen hängen Wut, Fassungslo­sigkeit, Entsetzen

und Tränen all jener, die nicht mehr hier sein dürfen.

Wie es meinen Menschen nun geht? Eine Bewohnerin bereits verstorben, eine auf der Suche nach mir verletzt aufgefunde­n, zwei, die bei mir noch selbststän­dig waren, in palliative­r Pflege. Nur Zufall oder menschlich­e Reaktion auf eine unmenschli­che Maßnahme?

Wie geht’s meinen ehemaligen Mitarbeite­rn?

Aber wen interessie­ren schon Fragen eines leeren Hauses, außer vielleicht meine Nachbarn, die Physiother­apie und Arztpraxis, die mich nun in diesem

kläglichen Zustand sehen müssen? Hauptsache, meine Kollegin, die Mönchsberg­garage, bekommt Zuwachs, während mir das Leben und Lachen genommen wurde.

Leere Räume, viele Fragen. Bloß an wen?

Sonja Pirner, Physiother­apie Bolaring, 5020 Salzburg

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