Assanges Auslieferung genehmigt
Die britische Regierung hat grünes Licht für eine Überstellung des Wikileaks-Gründers an die USA gegeben. Was Julian Assange nun droht.
LONDON. Es kam zum Schluss nicht
überraschend. Die britische Innenministerin Priti Patel hatte in der
Vergangenheit noch nie viele Sympathien mit politischen Aktivisten gezeigt. Sie entschied am Freitag, dass die Auslieferung von Julian Assange in die USA vonstattengehen kann. Der Wikileaks-Gründer wird
von der amerikanischen Regierung der „unbefugten Enthüllung von
Verteidigungsinformationen“beschuldigt. Er soll mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht haben,
wodurch er das Leben von US-Informanten gefährdet habe. Assange
wird auf Grundlage eines Spionagegesetzes angeklagt. Dem 50-Jährigen drohen bis zu 175 Jahre Haft.
Noch ist nicht das letzte Wort gesprochen. Seine Anwälte haben angekündigt, gegen die Entscheidung der Innenministerin Berufung einlegen zu wollen. „Heute ist nicht das Ende des Kampfs“, hieß es in einem Statement von Wikileaks. „Es ist der Beginn einer neuen juristischen Schlacht. Wir werden in die Berufung gehen.“
Man hat jetzt vierzehn Tage Zeit, um vor dem High Court eine erneute Anhörung zu beantragen, und
könnte bis vor das höchste britische Gericht, den Supreme Court, ziehen. Aber wenn seine Berufung fehlschlägt, müsste Assange binnen 28 Tagen in die USA ausgeliefert
werden. Seine Ehefrau Stella Moris sagte, dass ihr Mann „nichts Falsches getan und kein Verbrechen
begangen“habe. „Er ist ein Journalist und Publizist und wird bestraft dafür, dass er seinen Job tut.“
Die Causa Assange beschäftigt die
Weltöffentlichkeit seit mehr als zehn Jahren. Der gebürtige Australier hatte auf der Enthüllungsplattform Wikileaks 2010 und 2011
rund eine Viertelmillion geheime diplomatische Depeschen des US-Außenministeriums veröffentlicht.
Berühmt geworden ist ein Video aus dem Cockpit eines Apache-Helikopters, das dokumentiert, wie die Piloten das Feuer auf einen Minibus eröffnen. In dem Video, das Assange „Collateral Murder“nannte, ist zu sehen, wie rund ein Dutzend
unbewaffnete Zivilpersonen und Journalisten niedergeschossen und somit zu Opfern eines offensichtlichen Kriegsverbrechens werden.
Die aus den Wikileaks-Veröffentlichungen resultierende Flut an kompromittierenden Enthüllungen machte Assange zu einer Hassfigur in den USA. Amerikanische Politiker verlangten die Todesstrafe für den Wikileaks-Chef.
In der übrigen Welt brachte ihm die Dokumentation von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch US-Streitkräfte einen Journalismuspreis nach dem anderen ein.
Der Aktivist hatte sich stets gegen eine Auslieferung in die USA gewehrt und dafür ein Jahrzehnt in Unfreiheit in Kauf genommen. Im Juni 2012 flüchtete Assange in die ecuadorianische Botschaft in London und beantragte Asyl, um einer
Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo man ihm Sexualdelikte
vorwarf. Assange fürchtete, dass er aus Schweden an die USA ausgeliefert würde. Sieben Jahre lang verblieb er im selbst gewählten Hausarrest, bevor ihm 2019 der neu ins
Amt gekommene ecuadorianische Präsident Lenín Moreno den Asylstatus aufkündigte und damit der
britischen Polizei erlaubte, ihn in der Botschaft festzunehmen. Seitdem sitzt Assange im Londoner Belmarsh-Gefängnis ein, das von seiner Ehefrau Stella Moris als „britisches Guantánamo“bezeichnet wurde.
Eine Auslieferung von Assange hätte gravierende Auswirkungen für die Pressefreiheit. Denn die Veröffentlichung von Dokumenten, insbesondere wenn sie geheim sind,
gehört nun einmal zum investigativen
Journalismus. Mit der Causa
Assange eröffnet sich die erschreckende Möglichkeit einer globalen Zensur durch US-Behörden.
Seine Auslieferung würde einen Präzedenzfall schaffen, nach dem auch andere Journalisten angeklagt
werden könnten, sollten sie Berichte veröffentlichen, die der amerikanischen Regierung nicht gefallen. Das ist der Grund, warum für Journalistenorganisationen die Causa Assange so kritisch ist.
„Zu erlauben, dass Assange in die USA ausgeliefert wird“, sagte Agnès Callamard, die Generalsekretärin
von Amnesty International, „würde ihn einem großen Risiko aussetzen
und eine schaurige Nachricht an Journalisten in der ganzen Welt aussenden.“
Welche Folgen hat das für die Pressefreiheit?