Die rufschädigende Verschmähung von Bewerbern
Wie Sebastian Loudon eine RTR-Anhörung verwehrt wird, ist so bedenklich wie die Art der Kür von Lothar Lockl im ORF-Stiftungsrat.
Der durchschnittlich informierte Bürger muss
weder wissen, was die RTR-Medien macht, noch wer ihr Geschäftsführer ist. Das gilt auch für den ORF-Stiftungsrat und seinen Vorsitzenden. Doch für Steuer- und Gebührenzahler ist es interessant, wie das öffentlich-rechtliche
Aufsichtsorgan über die Verwendung von zwei Dritteln der Euro-Milliarde an GIS wacht (den Rest erhalten Länder und Finanzminister). Das
gilt abgeschwächt auch für die RTR-Medien, die größte Förderstelle für Zeitungen, Radio, TV und Fernsehfilme. Ihr Chef entscheidet über knapp 60 Millionen Euro pro Jahr.
Entsprechend groß war der Wirbel um die Besetzung des ORF-Stiftungsrats und seines
Vorsitzenden Lothar Lockl. Denn der Präsidentenberater, eine graue Eminenz der Grünen,
wurde per Sideletter zur Koalitionsbildung ausgemacht. §1 des ORF-Gesetzes besteht aber auf „Unabhängigkeit von Personen und Organen
des Österreichischen Rundfunks“. Wo kein Kläger,
da kein Richter. Papier ist geduldig.
Die RTR-Medien auch. Sie ist parallel zur Umbenennung des ORF-Kuratoriums in -Stiftungsrat 2001 als Teil der Kommunikationsbehörde
Austria entstanden. Ihr Leiter bis 2017 war Privatradiopionier (Antenne Steiermark) Alfred Grinschgl. Als Nachfolger empfahl eine Kommission im Kanzleramt den Verlagsmanager
und Journalisten Sebastian Loudon. Doch Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) bevorzugte den nachgereihten Oliver Stribl, der im März 2022 zur Wien-Holding gewechselt ist.
Loudon bewarb sich nun erneut. Doch er wurde nicht einmal zum Hearing eingeladen. Das Kanzleramt verweist auf Personalberater. Sie aber berufen sich auf eine Entscheidung der Hearing-Kommission. Die kritische Hinterfragung der Rolle von Personalberatern im öffentlichen Bereich wirkt überfällig.
Dass der 2017 erstgereihte Loudon heute nicht einmal eine Anhörung wert sein soll, ist ein Skandal. Die Rufschädigung betrifft aber nicht den Verschmähten. Seine Kompetenz ist
unbestritten. Doch die Republik Österreich desavouiert sich zusehends als Arbeitgeber (auch wenn sie das bei Stiftungsrat und RTR
nur indirekt ist). Die parteiliche Packelei, wie Lockl seine ehrenamtliche Funktion bekommen hat, ist so abstoßend wie die Heimlichkeit, die Loudon nicht infrage kommen lässt.
Gewordene wie Verhinderte werden dadurch in ihrem professionellen Ansehen beschädigt – als vermeintliche Günstlinge oder Feindbilder. Ohne radikale Änderung dieser Vorgangsweisen wird es abseits von Parteikadern kaum
noch qualifizierte Bewerber für exponierte öffentliche Stellen in Österreich geben. Das ist Demokratiegefährdung. Denn es rüttelt an der Qualität von Behörden.