Börsen im Bann der Zentralbanken
Überraschende Zinsentscheidungen – wie zuletzt von den Notenbanken der USA und der Schweiz – bringen die Aktienmärkte aus dem Konzept. Oft folgt die Erholung zwar auf dem Fuß – doch die Grundstimmung bleibt belastet.
WIEN. Die jüngsten geldpolitischen Entscheidungen haben die wichtigsten Aktienmärkte der Welt auf eine Berg- und Talfahrt geschickt. Zum Wochenausklang kamen erst
noch negative Vorzeichen von den asiatischen Börsen – in Japan verlor
der Nikkei-Index 1,8 Prozent, im selben Ausmaß verloren auch australische Aktien –, doch im Handelsverlauf am Freitag konnten die
meisten Aktienmärkte in Europa ihre kräftigen Verluste der Vortage wieder etwas ausgleichen.
Das ändert aber nichts an der insgesamt sehr volatilen Gesamtlage, eine ungesunde Mischung aus einem konjunkturell schwachen Umfeld, steigenden Leitzinsen, hoher
Inflation und einer instabilen geopolitischen Lage angesichts des Kriegs in der Ukraine und anhaltenden Problemen bei der Energieversorgung und Lieferketten.
Ausgelöst wurden die jüngsten Kursverluste an den Märkten rund
um den Globus durch überraschend deutliche Anhebungen der Leitzinsen. Am Mittwoch hatte die
US-Notenbank Federal Reserve Bank (Fed) ihre Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Die Börsen nahmen den Schritt sehr unterschiedlich auf. Manche befürchten einen Dämpfer für die Wirtschaft. Andere zeigten sich erleichtert über Aussagen des Fed-Chefs Jerome Powell, der klarstellte, dass Anhebungen von 75 Basispunkten keineswegs üblich werden würden.
Am Donnerstag hatte auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre Leitzinsen überraschend deutlich um 50 Basispunkte (0,5 Prozentpunkte) hinaufgesetzt. Durch eine solche Verteuerung des Geldes versuchen die Notenbanken, die
Vergabe neuer Kredite weniger attraktiv zu machen und so das Ansteigen der Geldmenge einzudämmen – und damit auch die rasant gestiegene Inflation.
Am Donnerstagabend war der viel beachtete US-Leitindex Dow Jones, der die Kursentwicklung der meistgehandelten Aktien an der US-Börse an der Wall Street umfasst, erstmals seit Anfang 2021 unter die Marke von 30.000 Zählern abgerutscht. Am Freitag drehte die
Stimmung in Europa nach einem „Anzeichen für fallenden Bärenmarkt.“
verhaltenen Start ins Positive. Allerdings sprechen die längerfristigen Vorzeichen eher für ein schwächeres Umfeld an den Aktienbörsen. „Inflation und eine Verschärfung der Geldpolitik waren noch nie eine für Aktienmärkte
günstige Kombination“, sagt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek.
Zu dieser Mischung aus Pest und Cholera kommen nun noch eine
eingetrübte Konjunktur und der anhaltende Krieg in der Ukraine.
Über die weitere Richtung an den Märkten gibt es geteilte Meinungen.
Während manche wie Erste-GroupChefanalyst Friedrich Mostböck auf sehr günstige Bewertungen –
und damit „billige Aktien“– verweisen, teilen andere die Sorge, dass die US-Notenbank Fed mit schnellen und kräftigen Zinserhöhungen die Konjunktur abwürgen könnte. „Die jüngsten Korrekturen sprechen dafür, dass wir in einem Bärenmarkt sind“, also einem langfristig sinkenden Börsenumfeld, sagt Robert Karas, Leiter der Veranlagungsabteilung (Chief Investment Officer) bei der Gutmann-Bank.
Eine rasche Erholung werde mit einer Rezession – zwei Quartalen mit sinkender Wirtschaftsleistung
– zunehmend unwahrscheinlich.