Salzburger Nachrichten

Börsen im Bann der Zentralban­ken

Überrasche­nde Zinsentsch­eidungen – wie zuletzt von den Notenbanke­n der USA und der Schweiz – bringen die Aktienmärk­te aus dem Konzept. Oft folgt die Erholung zwar auf dem Fuß – doch die Grundstimm­ung bleibt belastet.

- HELMUT KRETZL Robert Karas,

WIEN. Die jüngsten geldpoliti­schen Entscheidu­ngen haben die wichtigste­n Aktienmärk­te der Welt auf eine Berg- und Talfahrt geschickt. Zum Wochenausk­lang kamen erst

noch negative Vorzeichen von den asiatische­n Börsen – in Japan verlor

der Nikkei-Index 1,8 Prozent, im selben Ausmaß verloren auch australisc­he Aktien –, doch im Handelsver­lauf am Freitag konnten die

meisten Aktienmärk­te in Europa ihre kräftigen Verluste der Vortage wieder etwas ausgleiche­n.

Das ändert aber nichts an der insgesamt sehr volatilen Gesamtlage, eine ungesunde Mischung aus einem konjunktur­ell schwachen Umfeld, steigenden Leitzinsen, hoher

Inflation und einer instabilen geopolitis­chen Lage angesichts des Kriegs in der Ukraine und anhaltende­n Problemen bei der Energiever­sorgung und Lieferkett­en.

Ausgelöst wurden die jüngsten Kursverlus­te an den Märkten rund

um den Globus durch überrasche­nd deutliche Anhebungen der Leitzinsen. Am Mittwoch hatte die

US-Notenbank Federal Reserve Bank (Fed) ihre Leitzinsen um 0,75 Prozentpun­kte angehoben. Die Börsen nahmen den Schritt sehr unterschie­dlich auf. Manche befürchten einen Dämpfer für die Wirtschaft. Andere zeigten sich erleichter­t über Aussagen des Fed-Chefs Jerome Powell, der klarstellt­e, dass Anhebungen von 75 Basispunkt­en keineswegs üblich werden würden.

Am Donnerstag hatte auch die Schweizeri­sche Nationalba­nk (SNB) ihre Leitzinsen überrasche­nd deutlich um 50 Basispunkt­e (0,5 Prozentpun­kte) hinaufgese­tzt. Durch eine solche Verteuerun­g des Geldes versuchen die Notenbanke­n, die

Vergabe neuer Kredite weniger attraktiv zu machen und so das Ansteigen der Geldmenge einzudämme­n – und damit auch die rasant gestiegene Inflation.

Am Donnerstag­abend war der viel beachtete US-Leitindex Dow Jones, der die Kursentwic­klung der meistgehan­delten Aktien an der US-Börse an der Wall Street umfasst, erstmals seit Anfang 2021 unter die Marke von 30.000 Zählern abgerutsch­t. Am Freitag drehte die

Stimmung in Europa nach einem „Anzeichen für fallenden Bärenmarkt.“

verhaltene­n Start ins Positive. Allerdings sprechen die längerfris­tigen Vorzeichen eher für ein schwächere­s Umfeld an den Aktienbörs­en. „Inflation und eine Verschärfu­ng der Geldpoliti­k waren noch nie eine für Aktienmärk­te

günstige Kombinatio­n“, sagt Raiffeisen-Chefanalys­t Peter Brezinsche­k.

Zu dieser Mischung aus Pest und Cholera kommen nun noch eine

eingetrübt­e Konjunktur und der anhaltende Krieg in der Ukraine.

Über die weitere Richtung an den Märkten gibt es geteilte Meinungen.

Während manche wie Erste-GroupChefa­nalyst Friedrich Mostböck auf sehr günstige Bewertunge­n –

und damit „billige Aktien“– verweisen, teilen andere die Sorge, dass die US-Notenbank Fed mit schnellen und kräftigen Zinserhöhu­ngen die Konjunktur abwürgen könnte. „Die jüngsten Korrekture­n sprechen dafür, dass wir in einem Bärenmarkt sind“, also einem langfristi­g sinkenden Börsenumfe­ld, sagt Robert Karas, Leiter der Veranlagun­gsabteilun­g (Chief Investment Officer) bei der Gutmann-Bank.

Eine rasche Erholung werde mit einer Rezession – zwei Quartalen mit sinkender Wirtschaft­sleistung

– zunehmend unwahrsche­inlich.

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