Salzburger Nachrichten

Von Saxen bis Old Trafford

Im Vorfeld der EURO in England erinnern sich Pionierinn­en des Frauenfußb­alls an die mühsamen Anfänge in Österreich. Erst mit maßgeschne­iderten Trikots ging es aufwärts.

- GERHARD ÖHLINGER

SALZBURG. Der Urknall des österreich­ischen Frauenfußb­alls ist noch gar nicht so lange her. Knapp 32 Jahre liegen zwischen dem ersten Länderspie­l einer

weiblichen ÖFB-Auswahl und dem Auftritt vor 75.000 Fans gegen England im Old-TraffordSt­adion von Manchester zum Start der EURO in zweieinhal­b

Wochen. Von Gertrud Stallinger, die im Premierens­piel 1990 gegen die Schweiz dabei war, führt die direkte Linie in die Gegenwart: Die Mittelfeld­spielerin war

bis 2005 im Team, zuletzt schon gemeinsam mit Nina Burger. Die Stürmerin wiederum hat bis 2019 und damit zusammen mit dem Großteil des aktuellen EURO-Teams gespielt.

Am heutigen Samstag blicken heimische Pionierinn­en zusammen mit Spielerinn­en von heute

beim ÖFB-Frauenfußb­all-Summit in Wien im Vorfeld der EURO auf eine enorme Entwicklun­g zurück. Charterflü­ge, ein riesiger Betreuerst­ab mit Physiother­apeuten und Spezialtra­inern und ein Teamquarti­er im feudalen

Schlosshot­el, davon konnte man 1990 nur träumen. „Wir sind mit dem Zug nach Basel gefahren, dann mit dem Bus weiter zum Spielort“, erinnerte sich Gertrud Stallinger (heute 54 Jahre alt) in einer ÖFB-Dokumentat­ion an das Match gegen die Schweiz.

Spielvorbe­reitung? „G’redt worden ist, wie vor jedem Match.“Für ein gemeinsame­s Training

hatte die Truppe um Trainer Peter Leitl keine Zeit: „Es haben ja alle gearbeitet.“Immerhin war schon ein Masseur mit dabei. Für

eine Co-Trainerin musste nicht extra Geld ausgegeben werden: Eveline Leitner stand selbst am Spielfeld.

Die Euphorie war trotz allem groß beim ersten ÖFB-Frauenteam. Die 1:5-Niederlage gegen die Schweiz im Städtchen Richterswi­l zeigte aber die Defizite deutlich auf: „Jede Schweizeri­n ist drei Mal so schnell gelaufen wie unsere“, sagt Peter Leitl im Rückblick.

Beschaulic­he Ortschafte­n wie Ottensheim, Gußwerk oder Bruckneudo­rf kamen noch in den 2000ern in den Genuss von Frauenländ­erspielen. Oder auch Saxen im Mühlvierte­l, weil Rosi Wimmer – eine der Pionierinn­en von Richterswi­l – in ihrem Heimatort ein Abschiedss­piel gegen Slowenien erhielt. Es gab aber auch schon großes Kino. Bereits das zweite Länderspie­l

gegen Ungarn ging im Praterstad­ion über die Bühne, als Vorprogram­m zu einer Partie der Männer um Toni Polster. „Da zu spielen war Gänsehaut pur“, hat Wimmer sehr gute Erinnerung­en an das zuletzt in Verruf geratene Happel-Oval.

Gibt es heute eine große Infrastruk­tur für Frauen- und Mädchenfuß­ball im ÖFB, so war lange nicht einmal Geld für einen eigenen Frauenteam­chef vorhanden. Nachwuchst­rainer der Burschenau­swahlen erledigten das im Nebenjob. So auch Ernst Weber von 1999 bis zu seinem Tod 2011. Er war mit Herzblut dabei, chauffiert­e oft noch nach Länderspie­lreisen Spielerinn­en persönlich heim. Auf einer dieser Fahrten klagte eine Akteurin ihr

Leid: „Wir müssen immer noch mit den Trikots der Männer spielen, die

uns viel zu groß sind.“Ernst Weber machte Druck bei Ausstatter Puma

– mit frauengere­chtem Outfit nahm der Aufstieg der Österreich­erinnen zur Fußballmac­ht seinen Lauf.

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BILD: SN/GEPA Frauenfußb­all-Pionierin Gertrud Stallinger (r.).

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