Der „Voitl“auf dem E-Scooter
Bei den Oberammergauer Passionsspielen gab es heuer Aufregung um den Esel. Tierschützer erklärten, dass Tiere keine Transportmittel seien (Das hätten sie schon Dschingis Khan sagen sollen!),
weshalb Jesus bzw. der Darsteller des Jesus gefälligst auf einem E-Scooter in Jerusalem einreiten solle. Oder einfahren, muss man wohl eher sagen.
Wenn das der alte Voitl im Lungau noch erlebt hätte! Jahr für Jahr zog
Valentin Pfeifenberger, der legendäre Pfarrer von Thomatal, am Palmsonntag auf einem Esel reitend durch den Ort
und in die Kirche ein. Der Salzburger Erzbischof Colloredo hatte diesen Brauch zwar 200 Jahre davor verboten,
weil er ihn für eine Eselei hielt (ein früher Anhänger des E-Scooters?). Doch davon ließ sich ein Valentin Pfeifenberger nicht beeindrucken. Und auch nicht davon, dass ihn Esel Fritz einmal bei der
Prozession abwarf. Am nächsten Palmsonntag war Fritz wieder brav.
Vor dem Thomataler Kircherl erinnert jetzt ein schönes Standbild an den „Bischof vom Lungau“und seinen Palmesel. Heutzutage wäre das anders. Heute
würde Pfarrer Pfeifenberger einen PalmE-Scooter benutzen.
Geistliche und Esel, das ist übrigens ein heikles Kapitel. Um das Jahr 1000
herum wurde der Gegenpapst Johannes XVI. gestürzt und in einer Schandprozession durch Rom geführt: Man verstümmelte ihm das Gesicht, setzte ihm ein Kuheuter als Mütze auf und führte
ihn dann, verkehrt auf einem Esel sitzend, durch die Stadt. Der arme Mann
wird sich auch gedacht haben: Esel sind keine Transportmittel ...
Aber nicht nur die Katholischen, auch die Evangelischen haben oder hatten es
mit dem Esel. Gewohnt deftig schrieb Martin Luther: „Der Esel will Schläge
haben und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein. Das wusste Gott wohl; darum gab er der Obrigkeit nicht einen Fuchsschwanz, sondern ein Schwert in die Hand.“Aus diesem Luther-Wort spricht schon der moderne Geist: Ein Fuchsschwanz ist kein Zuchtmittel!
Da braucht’s schon ein E-Schwert. Man sollte es vor allem gegen jene einsetzen, die ihren E-Scooter nach Gebrauch irgendwo mitten auf dem Weg stehen lassen. Diese Esel.
Der Oberammergauer E-Scooter wäre vielleicht auch die Lösung für ein Problem, das Johann Peter Hebel in seinem „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“schilderte:
Ein Mann reitet auf seinem Esel heim und lässt seinen Sohn nebenhergehen. Da kommt ein Wanderer und sagt: „Das
ist nicht recht, Vater, dass ihr reitet und den Buben gehen lasst. Ihr habt stärkere Glieder!“Der Mann steigt ab und lässt den Sohn reiten. Da kommt wieder ein
Wanderer und sagt: „Das ist nicht recht, dass du reitest, Bub, und den Vater gehen lässt. Du hast jüngere Beine!“Da steigen beide – Vater und Sohn – auf
und lassen sich vom Esel tragen. Abermals kommt ein Wanderer und ruft empört: „Zwei Kerle auf einem schwachen Tier! Man sollte einen Stock nehmen und Euch herunter jagen!“
Da steigen beide ab und gehen neben dem Esel zu Fuß. „Ihr seid drei kuriose Gesellen!“, ruft ein vierter Wanderer.
„Ist es nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht’s nicht leichter, wenn einer
von Euch reitet?“Da nehmen Vater und Sohn einen Strick, binden dem Esel die Beine zusammen, stecken einen Ast durch und tragen das Tier auf den Schultern heim. – Hebels Resümee: „So
kann’s kommen, wenn man es allen Leuten recht machen will.“
Die Geschichte ist eine schöne Parabel auf die Politik und ihre Lösungen, die am Ende pragmatisch genannt werden. Aber man merkt, dass die Szene schon 200 Jahre auf dem Buckel hat.
Heute wäre so etwas nicht möglich. Schließlich ist die Benutzung des EScooters zu zweit streng verboten.