Die Verstaatlichung unseres Wohlergehens
Die Folgen der Krise: Was stellt es mit unserer Gesellschaft an, wenn weite Teile der Bevölkerung sich ihr Leben ohne staatliche Nothilfen nicht mehr leisten können?
Kurzarbeits- und sonstige Covidhilfen für die
Wirtschaft. Boni, Zuschüsse und sonstige Teuerungsabfederungen für den Rest der Menschheit. Milliardenpakete hier, Steuersenkungen dort: Der Staat hat in den vergangenen Jahren
tiefer als je zuvor in Friedenszeiten ins wirtschaftliche und soziale Leben seiner Bürgerinnen und Bürger eingegriffen. Und zwar aus der
blanken Notwendigkeit heraus, dass wirtschaftliches und soziales Leben nur auf diese
Art und Weise halbwegs aufrechterhalten werden konnten. Die Dauerkrise hat solcherart zu einer Renaissance des „starken Staates“geführt. Und das nach Jahren, in denen allenthalben der Machtverlust der Staaten, der Regierungen, der Politik als solcher konstatiert worden war. Dieses Lied ist verstummt. Es war der Staat, der das Land durch die Krise geführt hat. In Österreich und einem großen Teil der übrigen Welt.
Die staatlicherseits vorgenommene Abfederung der ärgsten Krisenfolgen war exakt das, was die Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten durften. Denn wozu wäre ein Staat, eine Regierung, die Politik als solche sonst da wenn nicht dafür, in Zeiten der Not Schaden von den Menschen fernzuhalten? Doch gleichzeitig
Die Krise kann nicht per Dekret beendet werden
verheißt es wenig Gutes, wenn wir unser wirtschaftliches Wohlergehen auf diese Weise verstaatlichen müssen. Wenn selbst der Mittelstand sich sein Leben nicht mehr leisten kann,
ohne dass ihm die öffentliche Hand mit Heizzuschüssen und Inflationsausgleichszahlungen unter die Arme greift, läuft etwas grundsätzlich falsch. Der Staat kann sich diesen Zustand lange leisten: Er profitiert von den Nullzinsen ebenso wie von der explodierenden Inflation, die ihm unerwartete Steuergewinne in die Kassen treibt. Auf diese Art tut sich der Finanzminister nicht allzu schwer, der Wirtschaft und den Bürgern diverse Zuschüsse und Erleichterungen zu gewähren. Die brisantere Frage ist, was es mit unserer Gesellschaft anstellt, wenn weite Teile der Bevölkerung nicht mehr existieren können, ohne am Tropf des Staates zu hängen.
Wobei man sich keiner Täuschung hingeben darf: Die Fähigkeiten der Politik reichen bei Weitem nicht aus, die Ursachen der Krise zu
beseitigen. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und all seine Begleiterscheinungen können nicht per Dekret beseitigt und beendet
werden. Die Politik schafft es nur so eben, mit ihren Geldspritzen die ärgsten Symptome dieser Krisen zu mildern.
Wodurch sich der zwingende Schluss ergibt, dass die Krisen so bald nicht zu Ende sein werden.
Inflation und Versorgungsunsicherheit
werden weiter unsere Begleiter sein. Die
Bürger werden weiter an Kaufkraft und Wohlstand verlieren. Der Staat wird weiter Inflationsgewinne erzielen und diese an die Bürger umverteilen. Die Spirale wird sich weiterdrehen. Von nachhaltiger Finanz-, Sozialund Wirtschaftspolitik wird auf absehbare Zeit keine Rede sein können.
Weshalb die bevorstehenden Transformationsprozesse, die allenthalben beschworen
werden, auch den Sozialstaat umfassen müssen. Wie das aussehen könnte, hat Sozialminister Johannes Rauch am Samstag in einem SNInterview umrissen: „Der Staat kann nicht endlos Abstützungsmaßnahmen finanzieren, das geht sich irgendwann nicht mehr aus“, sagte der Minister. Und fügte hinzu: „Ich bekenne
mich aber dazu, dass die Grund- und Existenzsicherung für die Menschen, die sich am
untersten Ende der Einkommenspyramide befinden, gesichert sein muss.“Woraus zu folgern ist: Der Sozialstaat, der in den vergangenen Jahren ein wenig ungezielt ausgebaut wurde,
muss zielgenauer werden. Die Verstaatlichung unseres Wohlergehens muss rückgängig
gemacht werden. Die Abschaffung der kalten Progression ist ein erster guter Schritt hiefür:
Wer mehr von seinem Geld behalten kann, ist weniger auf sozialstaatliche Hilfe angewiesen. Hilfe brauchen vor allem diejenigen, die andernfalls in existenzielle Nöte geraten würden.
Tröstlich ist der Gedanke, dass unser Staat und unsere Gesellschaft robust genug sind, die
bevorstehenden Transformationsprozesse zu meistern und möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Weniger tröstlich ist der Umstand, dass dieser erfreuliche Befund nur auf einen extrem kleinen Teil der Weltgemeinschaft zutrifft. Was die finanziellen und sozialen Verwerfungen mit den weniger entwickelten Volkswirtschaften quer über den Globus anstellen werden, ist eines der Probleme, die die Menschheit noch in Generationen beschäftigen werden.