Die Zeichen stehen auf Veränderung
Kommt mit Tirols neuem VP-Chef das Aus für Schwarz-Grün? Es könnte sich auch gar nicht mehr ausgehen.
WIEN. Es war der dunkelste Tag in der politischen Karriere des Anton Mattle. Und zugleich der, der ihn
mit einem Schlag bekannt machen sollte. Am 23. Februar 1999 rollte eine gewaltige Lawine durch das Bergdorf Galtür im hintersten Paznauntal und riss 31 Menschen mit in den Tod. Als Bürgermeister von Galtür stand Mattle damals an vorderster Front, packte mit an und fand die richtigen Worte. Das blieb nicht
unbemerkt. Vier Jahre später wurde er Landtagsabgeordneter, 2013 Teil des Landtagspräsidiums, 2021 Wirtschaftslandesrat. Nun soll er im Juli Tiroler ÖVP-Chef und – läuft alles nach Plan – nach der Herbstwahl Landeshauptmann werden.
Der Tag der Lawinenkatastrophe ist auch mit einer anderen politischen Karriere verwoben: mit jener
von Landeshauptmann Günther Platter, der Mattle nun zu seinem Nachfolger kürte. Als gelernter Gendarm und Bürgermeister von
Zams war Platter 1999 in der Einsatzzentrale, von wo aus der extrem schwierige Hilfseinsatz koordiniert
wurde (einen Tag später ging in Valzur, einem Ort, der zu Ischgl gehört,
die nächste Lawine nieder; sieben Menschen starben). Die beiden Oberländer Platter und Mattle standen damals in engem Austausch. Und das tun sie noch heute.
Mit der Kür seines Wunschnachfolgers schuf Platter bei seinem überraschenden Rückzug in der
Vorwoche Fakten. Ganz ist der Plan, so innerparteiliche Debatten von
vornherein abzudrehen, nicht aufgegangen. Vor allem vom Chef
der Tiroler Wirtschaftskammer, Christoph Walser, kam harsche Kritik am Vorgehen Platters. Ihm werden selbst Ambitionen auf den LHSessel nachgesagt. Was wiederum
Wirtschaftsbundchef Franz Hörl auf den Plan rief, der von „erbärmlichen Auftritten“von „MöchtegernStars“in der Partei sprach.
Es läuft also nicht alles rund in der Partei. Mit ein Grund dürften die schlechten Aussichten für die
Wahl im September sein: Denn den Schwarzen droht ein veritabler Absturz. 2018, noch mit Rückenwind durch ÖVP-Superstar Sebastian
Kurz, kam die Partei auf fast 45 Prozent, zuletzt zeigten Umfragen eher
in Richtung 30 Prozent. „Mit solchen Werten tritt man als Landeshauptmann nicht gern ab“, sagt der Innsbrucker Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer. Insofern scheint es logisch, dass Platter geht und die heiße Kartoffel an Mattle weiterreicht. Allerdings ohne Amtsbonus: Denn Platter bleibt LH, bis die nächste Regierung steht. Anders als in der Steiermark, wo der scheidende Landeschef Hermann Schützenhöfer im Juli sowohl das Amt des
LH an seinen Nachfolger übergibt als auch den Parteivorsitz. Dass es
in Tirol anders ist, liegt für Karlhofer am Rückzug Platters kurz vor der Wahl. Mattle könne sich so bis zur Wahl voll auf den Wahlkampf
konzentrieren, Platter den Amtsgeschäften nachgehen. Bei den Tiroler Grünen ist es genauso: LH-Vize Ingrid Felipe hat den grünen Parteivorsitz jüngst an ihren Nachfolger Gebi Mair abgegeben, bleibt aber vorerst Platters LH-Stellvertreterin.
Mattle wird bei seiner offiziellen Kür zum Parteichef und Spitzenkandidaten am 9. Juli ein gutes Ergebnis brauchen und bei der Listenerstellung großes Geschick beweisen müssen, damit sich kein Bund
und kein Landesteil übergangen fühlt. Die ÖVP Tirol sei ein Bienenstock, sagt Karlhofer, und je weniger es zu verteilen gebe, umso größer werde der Druck. Mattle bringt immerhin den Vorteil mit: Er ist sowohl im Bauernbund – er kommt aus einer Bauernfamilie – als auch
im Wirtschaftsbund – er war im Elektrohandel selbstständig – verankert. Vielen in Tirol gilt er als
einer der umgänglichsten Schwarzen, als Saubermann ohne Hang zu
Starallüren. Für sich selbst nehme er in Anspruch, „kein Polterer“zu sein, meinte er zur TT. So habe er
das in seinem Betrieb gehandhabt, so handhabe er das in der Politik.
Spannend wird die Frage, mit wem die ÖVP künftig zusammenarbeiten wird. Mattle lässt keine Präferenz erkennen. Letztlich werde das auch die Wahlarithmetik entscheiden, sagt Karlhofer. Möglicherweise schaffen ÖVP und die ebenfalls schwächelnden Grünen
gar keine Mehrheit. Und zumindest theoretisch ist auch eine Koalition gegen die ÖVP vorstellbar. Kein Geheimnis ist, dass der Wirtschaftsflügel der ÖVP keine Freude mit den Grünen in der Regierung hat. Man
würde wohl lieber mit der SPÖ zusammengehen, die sich offensiv als Partner anbietet und wesentlich unkomplizierte wäre – etwa beim
Ausbau der Wasserkraft. Der neue Grünen-Chef Gebi Mair wiederum
macht kein Hehl daraus, dass er mit der ÖVP weiterregieren möchte. Er und Mattle hätten gemeinsame Anliegen, sagte er jüngst in der „ZiB2“, etwa die Energiewende oder das
Auftreten gegen die touristische Übererschließung. Außerdem: „Der Toni und ich sind beide bei der Bergrettung aktiv.“Man habe eine
gute Gesprächsbasis. Ob das reicht? Das wird sich im Herbst weisen.