Salzburger Nachrichten

„Den E-Antrieb nach Steyr zu holen war kein Selbstläuf­er“

Das BMW-Werk Steyr war über 40 Jahre lang Spezialist für den Verbrenner. Jetzt fährt man elektrisch in die Zukunft und investiert 1 Mrd. Euro.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R Alexander Susanek, BMW-Werk Steyr

Rotor, Stator, Getriebe, Inverter und Gehäuse: In Steyr werden künftig

wesentlich­e Teile für den E-Antrieb der BMW-Modelle gefertigt. 2030 sollen 600.000 E-Antriebe produziert werden und die Hälfte der

Belegschaf­t in der E-Mobilität tätig sein. Doch auch den Verbrenner­motor gibt man nicht auf. Die SN sprachen mit BMW-Steyr-Geschäftsf­ührer Alexander Susanek.

SN: Herr Susanek, wie schwierig war es, die E-Antrieb-Produktion nach Steyr zu holen?

Andreas Susanek: Es war kein Selbstläuf­er, wir haben uns intensiv

beworben. Ein Unternehme­n wie die BMW Group überlegt sich bei so einer weitreiche­nden Entscheidu­ng sehr genau, wo und wie man das machen will. Will man das Geld ausgeben? Kauft man E-Motoren zukünftig ein? Macht man die selber,

wenn ja, wo? Da haben wir einige Schleifen drehen und uns im Wettbewerb durchsetze­n müssen. Wir freuen uns, dass es gelungen ist.

SN: 2030 soll die Hälfte der Belegschaf­t mit heute 4400 Beschäftig­ten in der E-Mobilität tätig sein. Was kommt auf die Mannschaft zu?

In zwei Jahren werden wir mit der Vorserienp­roduktion der E-Antriebe starten, ab 2025 mit der Serienprod­uktion und dem Hochlauf, dann beginnt auch der Personalbe­darf in diesem Bereich stark zu

wachsen. Wir haben in den vergangene­n Monaten schon Mitarbeite­r in der E-Motoren-Fertigung im BMW-Werk in Dingolfing im Einsatz gehabt. Sie tragen nun das Wissen zurück. Wir werden natürlich auch in Steyr Qualifizie­rungsmaßna­hmen haben. Unser Anspruch ist, unser Beschäftig­ungsniveau zu

halten und abzusicher­n. Wir werden in einzelnen Bereichen spezialisi­erte Fachkräfte dazuholen, das sind hochattrak­tive Arbeitsplä­tze.

Für zukünftige Arbeitnehm­er wird das BMW-Werk Steyr noch einmal attraktive­r, weil wir eine andere

Zukunftspe­rspektive haben.

SN: Hatte die Belegschaf­t schon Zukunftsso­rgen?

Ja, natürlich. Überall hört man, der

Verbrenner wird irgendwann nicht mehr da sein, und wir haben bisher allein davon gelebt. Klar, dass sich die Mitarbeite­r da Gedanken machen. Man hat viel Erleichter­ung

gemerkt, als wir die Transforma­tion kommunizie­rt haben. Wir haben eine hochmotivi­erte und sehr kompetente Mannschaft. Und wir haben das Know-how, wie man Großserien- und Motorenpro­duktion betreibt, wie man komplexe,

verkettete Produktion­sanlagen in Betrieb nimmt und industrial­isiert.

SN: Derzeit läuft es nicht so rund. Haben Sie noch Kurzarbeit?

Wir haben noch Kurzarbeit, etwa 20 bis 30 Prozent der Schichten in

bestimmten Bereichen fallen aus.

Wann wir sie nicht mehr brauchen werden, können wir leider noch nicht sagen. Die Versorgung­sthematik sowohl bei Halbleiter­n als auch bei Kabelbäume­n ist immer

noch akut. Wir müssen immer noch sehr kurzfristi­g steuern.

SN:

„Werden als Arbeitspla­tz attraktive­r.“

Retten die E-Antriebe den Standort Steyr?

Es war meine Motivation, dass wir

in Entwicklun­g als auch Produktion die Transforma­tion schaffen und einen ganz wesentlich­en Schritt in Richtung E-Mobilität machen. Das

heißt nicht, dass der Verbrennun­gsmotor morgen ausläuft.

SN:

Obwohl das EU-Parlament gerade das Gegenteil beschlosse­n hat?

Ja, aber es wurde nicht 2022 beschlosse­n, sondern 2035. Zumindest ist das der Diskussion­sstand,

bis dahin sind es ja noch ein paar Jahre. Wir haben momentan durch den Umstand, dass wir die Motorenfer­tigung aus München übernehmen, eine volle Auslastung, was die Verbrennun­gsmotoren betrifft. Das wird die nächsten Jahre noch so

bleiben. Wir haben im Vorjahr 1,1 Millionen Verbrenner­motoren erzeugt, es wird sich auch dieses Jahr

in dieser Größenordn­ung bewegen. Die Anzahl wird irgendwann sinken, aber nicht kurzfristi­g.

SN: Es gab viel Kritik, dass beim EU-Beschluss, ab 2035 nur noch E-Autos neu zuzulassen,

die synthetisc­hen Kraftstoff­e ausgespart wurden. Ein Fehler?

Bei BMW halten wir das Verbrenner­verbot

zu einem fixen Datum aus heutiger Sicht nicht für richtig.

Warum soll man andere Technologi­en ausschließ­en, die auch zum CO2-Sparen beitragen können? Aktuell erleiden wir alle schmerzhaf­t,

wie unsicher die geopolitis­che Lage ist, und wir wissen nicht, wie es mit China weitergeht, auch in der Rohstoffve­rsorgung. Wir wissen noch nicht, wie gut und schnell die Energiewen­de gelingt, wie schnell der

Aufbau der Ladeinfras­truktur. Das sind wichtige Rahmenbedi­ngungen, damit die Kunden mit Freude die E-Mobilität annehmen. Insofern halten wir es für falsch, sich aus heutiger Sicht schon auf das Aus des Verbrennun­gsmotors festzulege­n ohne einen Zwischen-ReviewPunk­t einzulegen.

SN: Was passiert nach 2035 in Steyr mit dem Verbrenner?

Wir beliefern ja auch den Weltmarkt. Selbst wenn Europa den

Schritt geht, wird es nicht in allen Teilen der Welt im gleichen Tempo

passieren. Stand heute ist davon auszugehen, dass weiterhin auch

noch Verbrennun­gsmotoren in Steyr hergestell­t werden. In welchem Volumen, das kann noch niemand sagen. In Summe ist der E-Motor natürlich einfacher, hat

weniger Komponente­n, aber unser Umfang bleibt aus heutiger Sicht relativ konstant.

Zweigleisi­g Verbrenner und E-Antriebe produziere­n – wie herausford­ernd ist das?

SN:

Das wird viel Arbeit. Wir reden von

Transforma­tion, das klingt immer so schön, das ist es auch, es ist aber auch Arbeit, wir dürfen auch beim

Verbrenner nicht nachlassen. Wir müssen schauen, dass die Lieferkett­e weiter funktionie­rt, die Zulieferer verändern ja auch ihren Fokus.

SN:

Welche BMW-Fahrzeugmo­delle werden mit den EAntrieben aus Steyr bestückt?

Wir werden in der Produktion alle Modelle versorgen, die ganze Palette. In unserem Entwicklun­gszentrum mit 700 Beschäftig­ten ist heute schon die Weiterentw­icklung der

bestehende­n E-Motoren angesiedel­t. Die komplette Neuentwick­lung, die wir im High-Performanc­eBereich für die BMW-M-Modelle

bekommen, ist noch einmal ein ganz neuer Umfang. Entwickelt und exklusiv produziert in Steyr – das ist ein Aushängesc­hild für die Marke.

SN: E-Autos selbst gelten als sauber, was tun Sie für eine saubere Produktion?

BMW hat sich vorgenomme­n, den CO2-Ausstoß in Herstellun­g und

Lieferkett­e um 40 Prozent zu reduzieren, in der eigenen Produktion um 80 Prozent. In Steyr wollen wir

bis spätestens 2025 unsere gesamte Energiever­sorgung CO2-neutral darstellen, 80 Prozent haben wir schon geschafft, wir haben 100 Prozent Grünstrom und Fernwärme aus regionaler Biomasse. 20 Prozent sind jetzt noch Gas, das werden wir bald nicht mehr brauchen.

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