Mit gutem Gewissen investieren
Investments in nachhaltige Finanzprodukte stehen bei den Anlegern zunehmend hoch im Kurs. An sogenannten ESG-Produkten führt künftig in Europa wohl kein Weg vorbei.
Auch im Private Banking stehen gerade Umwälzungen bevor. Welche, das verrät Meinhard Platzer, CEO der LGT Bank Österreich, im Interview.
SN: Welchen Stellenwert haben nachhaltige Geldanlagen bei Ihren Kunden?
Meinhard Platzer: Veranlagungen, die ESG-Kriterien berücksichtigen, nehmen sehr stark zu (ESG: Environmental Social Governance,
Anm.). Die hohe Nachfrage wird aus Risikoüberlegungen einerseits und
regulatorischen Entwicklungen andererseits getrieben. Wir sehen unseren Beitrag unter anderem darin, für Transparenz zu sorgen und dem
Anleger eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu liefern. Es geht
hier also um die Fragen: Was ist ein nachhaltiges Investment? Und wie stark nachhaltig ist ein Investment? Hier bieten wir unterschiedliche
Anlagelösungen insbesondere im Bereich des Impact-Investing an.
SN: Wie groß ist deren Anteil am Gesamtanlagevermögen?
Insgesamt war per Ende 2021 ein
Volumen von 39,1 Milliarden Schweizer Franken in nachhaltige
Anlagelösungen investiert, was 27,2 Prozent der gesamten Assets under
Administration entspricht.
SN: Bieten andere Anlageformen nicht eine höhere Rendite?
Nachhaltigkeit ist neben traditionellen Faktoren ein zusätzlicher Treiber für die Rendite beziehungsweise das Risiko. Unternehmen, die ESG-Ziele nicht berücksichtigen,
werden größere Risiken aufweisen und die Anleger werden dafür keine Entschädigung bekommen. Daher
werden andere Anlageformen über die Zeit eine schlechtere Performance aufweisen. Zahlreiche Studien in den vergangenen Jahren haben zudem gezeigt, dass die Renditen von nachhaltigen Anlagen
grundsätzlich mindestens gleich
gut wie diejenigen traditioneller Investments sind.
Wie zertifizieren Sie nachhaltige Anlagen?
SN:
Um unseren Kunden eine Entscheidungshilfe bei der Wahl ihrer Investments an die Hand zu geben, die den Einbezug von ESG-Kriterien ermöglicht, hat die LGT ein Nachhaltigkeitsrating, das LGT Sustainability Rating für Aktien, Obligationen, Fonds und ETFs, eingeführt. Die Bewertung wird mit einem selbst entwickelten Rating-Instrument durchgeführt, das bereits seit 2009 erfolgreich für das Management der LGT Nachhaltigkeitsfonds genutzt wird. Für ihre Nachhaltigkeitsqualität erhalten die einzelnen
Anlageinstrumente entsprechend dem erzielten ESG-Score einen Stern, das bedeutet „ungenügend“
bis fünf Sterne, das bedeutet „exzellent“. Damit haben die Kunden Zugang zu leicht verständlichen Informationen über die Nachhaltigkeitsqualität ihrer Geldanlage und können ihre Investments entsprechend nachhaltiger ausrichten.
SN: Was versteht man unter Net Zero?
Um das Pariser Klimaziel zu erreichen und das Klima bis zum Ende des Jahrhunderts zu stabilisieren, müssen laut Weltklimarat die globalen Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null sinken. Netto null bedeutet, dass das globale CO2Budget unter dem Strich nicht belastet wird. Dies kann jedoch nicht durch Kompensation mittels Zertifikaten zur Verringerung der Treibhausgasemissionen an einem anderen Ort erreicht werden. Bei Nettonull-Emissionen wird die Menge an klimarelevanten Gasen, für deren
Ausstoß ein Akteur verantwortlich ist, aus der Atmosphäre entfernt
und dauerhaft gebunden. Dieser Prozess kann durch natürliche Methoden wie Aufforstung oder durch technische Lösungen erreicht werden. Die LGT hat für einen Teil ihrer Treibhausgasemissionen 2021 einen Zehnjahresvertrag mit der Schweizer Firma Climeworks unterzeichnet, die in dem Zeitraum für uns 900 Tonnen CO2 aus der
Atmosphäre entfernen wird.
SN:
Es ist schwierig, aber es ist machbar und es muss erreicht werden. Dafür
gibt es einfach keine Alternative. Die LGT hat sich letztes Jahr bekannt, ihre Emissionen im Betrieb und auf der Investmentseite bis 2030 auf netto null zu senken.
Ist das überhaupt machbar? SN: Erwarten Sie nach der angekündigten Zinserhöhung der EZB im Sommer weitere Zinsschritte?
Die Europäische Zentralbank (EZB)
hat angekündigt, an ihrer nächsten regulären Sitzung am 21. Juli ihren Leitzins erstmals seit elf Jahren zu erhöhen. Damit sendet die EZB den Finanzmärkten ein eindeutiges Signal, dass sie den Kampf gegen die Inflation aufnimmt. Den Aussagen der Notenbank zufolge darf mit einem ersten Zinsschritt in Höhe von 25 Basispunkten gerechnet werden.
Die EZB begibt sich damit auf eine Gratwanderung, bei der die Inflation bekämpft werden soll, ohne die Konjunktur abzuwürgen. Beschlossen wurde auch, die milliardenschweren Anleihenkäufe per 1. Juli einzustellen – eine Voraussetzung
für eine erste Zinserhöhung. In der Folge dürfte die EZB mit weiteren Zinsstraffungen versuchen, dem Inflationsdruck entgegenzuwirken. Bis Ende September dürfte damit auch die Ära der Negativzinsen in
der Eurozone beendet werden. Ökonomen gehen im Schnitt davon aus, dass der Einlagensatz bis zum Jahresende auf +0,5 Prozent steigen
und der Hauptrefinanzierungssatz ein Niveau von +0,75 Prozent erreichen wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, dass die wirtschaftlichen Folgen des UkraineKriegs die Konjunkturentwicklung
im Euroraum dämpfen und die Inflation in die Höhe treiben. Lagarde
machte deutlich, dass weitere Zinsschritte von der weiteren Datenlage abhängig sein werden, aber auch aggressiver ausfallen können, sollte sich die Inflationsentwicklung verschärfen.
SN: Wird sich dadurch das Portfolio ändern?
Aufgrund der ungewöhnlich herausfordernden Situation seit Anfang des Jahres haben wir bereits in den vergangenen Monaten entsprechend reagiert und Umschichtungen vorgenommen. So halten wir
Aktien taktisch seit einigen Monaten untergewichtet. Wir sind der Meinung, dass das aktuelle RisikoErtrags-Verhältnis bei Aktien noch nicht den Wendepunkt erreicht hat, und halten somit an der vorsichtigen Aktienallokation fest.
SN: Welche Alternativen bei der Geldanlage empfehlen Sie?
Alternative Anlagen erachten wir im aktuellen Umfeld interessant
und daher übergewichtet. Hier vor allem Hedge Fonds und Edelmetalle. Gold ist unser Favorit. Mittel- bis langfristig sehen wir trotz der jüngsten Avancen im Rohstoffsektor weiterhin Potenzial in diesem Segment. Kryptowährungen sind
nicht Teil unseres Anlageuniversums.