Sagen, wie Geschichten entstehen
Desinformation mit Transparenz, Offenheit und Demut bekämpfen.
WIEN. Wenn die besten Medienmacherinnen und -macher Europas zusammenkommen, dann ist reflektierte Selbstkritik nicht immer das Hauptthema, eher selbstbewusste Präsentation. Beim diesjährigen European Publishing Congress dieser Tage in Wien war das anders. Trump, Corona, Ukraine
und Russland haben auch in der Medienbranche tiefe Spuren hinterlassen. Denn selten in der jüngeren Geschichte wurden Menschen derart massiv mit falschen Nachrichten überhäuft wie jetzt.
Welche Folgen das für die Gesellschaft und den Journalismus hat,
haben die mehrfach ausgezeichnete ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf,
die aus einem fahrenden Zug in der Ukraine zugeschaltet war, und ntv.de-Chefredakteur Tilman
Aretz gemeinsam mit Annette Milz, Herausgeberin des deutschen „Medium Magazin“, diskutiert. Eigendorf stellte klar, dass sie nur, weil sie in der Ukraine etwa direkt aus Charkiw berichte, nicht mehr als viele andere über die Situation in Mariupol wisse. Und genau dies müsste man den Zuseherinnen und den Lesern besser vermitteln. Ebenso wie
Aretz ist sie der Meinung, dass Medien stärker transparent machen müssten, wie Journalistinnen und Journalisten arbeiten. Und dazu gehöre auch zu sagen, dass sie manchmal etwas falsch einschätzen.
Was macht man aber mit den 10 bis 20 Prozent der Menschen, die die Wahrheit nicht anerkennen
wollen? Der ntv.de-Chefredakteur fand dazu klare Worte: „Die erreicht man nicht. Wir kümmern uns nicht um sie, sondern um die 80 Prozent, die informiert werden wollen.“
Auch gegen die NachrichtenErmüdung der Leserinnen und Leser, denen die Fülle der oft belastenden Informationen manchmal zu viel wird, haben Eigendorf und Aretz ein Rezept: Die Medien müssten viel stärker Geschichten bringen, die trotz aller Dramatik auch Handlungsspielräume und Lösungsansätze aufzeigten, sagen sie. Und Eigendorf appelliert an die Branche: „Wir
sollten mit deutlich mehr Demut an unseren Job herangehen.“