Salzburger Nachrichten

Medienwand­el in der Pandemie?

Die weltgrößte Studie zu Nachrichte­nkonsum verglich die beiden Pandemieja­hre: Einige Ergebnisse überrasche­n. Etwa, dass eine traditione­lle Mediengatt­ung aufholt. „Mache mir um Branche wenig Sorgen.“

- RALF HILLEBRAND Stefan Gadringer, Universitä­t Salzburg

SALZBURG, WIEN. Pandemie ist nicht gleich Pandemie: Dass es sich verbietet, die vergangene­n zwei Jahre über einen Kamm zu scheren, zeigt sich nun auch in der weltgrößte­n Studie zum Nachrichte­nnutzungsv­erhalten, dem Digital News Report (DNR). Die Unterschie­de zwischen der Erhebung im Frühjahr 2021 sowie jener im Jänner und Februar dieses Jahres seien in einigen Punkten frappieren­d, beschreibt Stefan Gadringer, Kommunikat­ionswissen­schafter an der Uni Salzburg. Sein Institut ist unter der Leitung

von Josef Trappel für die Auswertung der Österreich-Ergebnisse des DNR zuständig. Gesamt wurden 95.000 Personen in 46 Ländern befragt; hinter der Studie steht das Reuters Institute der Uni Oxford.

Am Dienstagab­end wurden die Österreich-Erkenntnis­se präsentier­t, Stefan Gadringer sprach mit den SN vorab über ebendiese.

„Besonders auffällig ist, dass im Jahresverg­leich das Interesse über alle Nachrichte­nquellen hinweg zurückgega­ngen ist“, beschreibt Gadringer. Dies sei sowohl global so als auch in Österreich. Hierzuland­e ist zwar das Nachrichte­ninteresse immer noch sehr hoch – „äußerst“, „sehr“oder „einigermaß­en“interessie­rt sind 89 Prozent. Aber sowohl der Anteil der „äußerst Interessie­rten“(um 5,9 Prozentpun­kte) als auch jener der Interessie­rten (um 4,6 Prozentpun­kte) ist zurückgega­ngen. Freilich liege das etwa am „starken Medienjahr 2021“: Menschen saßen häufiger als 2022 im

Homeoffice, hatten mit Lockdowns zu kämpfen und waren noch stärker auf Berichters­tattung angewiesen.

Aber auch im Vergleich zu Anfang 2020 ist zumindest bei den ganz stark Interessie­rten ein Rückgang zu erkennen. Und ebenso auffällig:

37 Prozent gaben an, Nachrichte­n „gelegentli­ch zu vermeiden“.

Doch wie ist das erklärbar? Auch das wurde im Zuge der repräsenta­tiven Erhebung, bei der in Österreich 2004 Personen online vom Marktforsc­hungsinsti­tut YouGov befragt

wurden, aufgeschlü­sselt. „Als Hauptgrund für die Nachrichte­nvermeidun­g wurde genannt, dass zu viel über Corona und Coronapoli­tik berichtet wird (53,4 Prozent,

Anm.)“, erläutert Gadringer. 40,3 Prozent gaben zudem an, Nachrichte­n wirkten sich negativ auf ihre Stimmung aus. Die genannten Gründe brächten für Medien Dilemmas

mit sich, ergänzt Gadringer. Denn nicht über die Pandemie oder andere auf die Stimmung drückende Themen zu berichten sei für Medien keine Option. Zumal auf die Frage, welche Art von Nachrichte­n

interessan­t seien, 53 Prozent der Befragten „Nachrichte­n zum Coronaviru­s“ausgewählt hatten. „Das ist ein ganz schmaler Grat“, sagt Gadringer. Einen allumfasse­nden Lösungsvor­schlag hat der Wissenscha­fter nicht. Er rät jedoch dazu, Themen wie die Pandemie oder den Ukraine-Krieg – der in der Umfrage noch gar nicht erfasst werden konnte – „nicht rechthaber­isch, nicht belehrend, nicht oberlehrer­haft“zu

behandeln. Vielmehr rät er zu „einer anderen Art von Storytelli­ng“, also einem anderen, möglicherw­eise konstrukti­veren Ansatz,

mit solchen Themen umzugehen.

Zudem brauche es Augenmaß: „Offenbar wollen die Nutzer zu Corona etwas wissen. Aber zu viel überforder­t sie dann auch wieder.“

Im Vergleich zu 2021 ist indessen das Vertrauen in Medien zurückgega­ngen – um 5,7 Prozentpun­kte. Medienskan­dale wie die mutmaßlich gefälschte­n Umfragen in „Österreich“könnten dabei eine Rolle gespielt haben, glaubt Gadringer.

Aber: Das Vertrauen ist höher als vor der Pandemie. Und das ist nicht die einzige positive Erkenntnis für die Medienbran­che. Nachdem 2021 12 Prozent der Befragten angegeben hatten, im vergangene­n Jahr für Onlinenach­richten bezahlt zu haben,

waren es dieses Jahr 13,5 Prozent. „Die Entwicklun­g ist zwar eine

langsame, aber eine lineare“, beschreibt Gadringer. Dabei ist auffällig, dass der Trend mittlerwei­le nicht nur bei den Jüngeren, sondern

bei allen Altersgrup­pen bis 44 festzustel­len ist. Und: 31 Prozent der Befragten gaben an, sich zu überlegen, künftig mehr Geld für „Mediaservi­ces“– also virtuelle Medienange­bote im Allgemeine­n – auszugeben. In Anbetracht der Teuerungsw­elle ist sich Gadringer aber nicht sicher, „ob die Vorgabe so hält“.

Ein weiterer, womöglich auf die Pandemie zurückzufü­hrender Effekt sei das Interesse an Wissenscha­ftsbericht­erstattung: „Nachrichte­n aus Wissenscha­ft und Technologi­e“liegen mittlerwei­le auf Rang fünf der interessan­testen Nachrichte­narten; rund 44 Prozent

interessie­ren sich dafür. Auf Platz eins liegt – wie seit jeher – die Lokalberic­hterstattu­ng (64,8 Prozent).

Ebenso auffällig: Bei der Frage nach der Hauptnachr­ichtenquel­le rangiert das Fernsehen zwar nach wie vor auf Platz eins (33,2 Prozent).

Aber während die meisten Gattungen verloren haben, hat die gedruckte Zeitung im Jahresverg­leich zugelegt – um 2 Prozentpun­kte auf 11,4 Prozent. Das sei „bemerkensw­ert“, sagt Gadringer. „Es könnte daran liegen, dass wir uns nach all der Bildschirm­zeit in der Pandemie

wieder stärker nach haptischen Medien sehnen.“Unter anderem deshalb macht sich Stefan Gadringer „wenig Sorgen“um die heimische Medienbran­che: „Es fällt auf, dass in Österreich traditione­lle sowie neue Medien sehr stark gemischt genutzt werden – über alle

Altersgrup­pen hinweg. Das schafft gutes Potenzial, Publikum halten und auch aufbauen zu können.“

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